Gedenkstätte von Brehm: Kampf gegen den Verfall

Renthendorf (dpa) - Jochen Süß hat Handschuhe übergestreift und blättert in den Tagebüchern und Briefen Alfred Brehms: stenografierte Postkarten an seine Frau Mathilde, Briefe an Gelehrte, Notizen und Zeichnungen von vielen Reisen des „Tiervaters“.

Die Schriftstücke sind bei Brehm-Forschern ein begehrter Schatz, den die Gedenkstätte an seinem Geburts- und Sterbeort in Renthendorf bei Gera (Thüringen) pflegt.

Doch Süß, seit 1. September deren Leiter, schlägt Alarm. Das auf einer Anhöhe neben der Kirche gelegene zweistöckige Backsteinhaus ist marode und muss dringend saniert werden. Um die Statik zu entlasten, wurde schon die Bibliothek zu großen Teilen ins Kreisarchiv ausgelagert.

„Das Haus ist baulich schwer krank“, erläutert Mikrobiologe Süß, der 2012 als Leiter des nationalen Referenzlabors für von Zecken übertragene Krankheiten in Jena pensioniert wurde. Nun kümmert er sich um die Gedenkstätte. Er zeigt auf einen tiefen Riss in der Mauer des Ausstellungsraumes im Erdgeschoss, bröckelnde Balken im Fußboden und archaische Schaltschränke für die Elektrotechnik. „Als ich hier angefangen habe, habe ich mich nur gefragt: Wann brennt es ab? Wann bricht es zusammen?“

Den über seinen Tod hinausreichenden Ruhm hat sich Alfred Brehm (1829-1884) mit seinem „Illustrirten Thierleben“ erworben, das zum Weltbestseller avancierte und mit seinem Namen zu „Brehms Tierleben“ verschmolz. Es erschien in vielen Ausgaben und wurde in etliche Sprachen übersetzt. Darin beschreibt er den Igel als „drolligen Kauz“ und „guten, furchtsamen Gesell“. Das Urteil über den Hamster ist weniger schmeichelhaft: Brehm charakterisiert ihn als „leiblich recht hübsches, geistig aber um so häßlicheres, boshaftes und bissiges Geschöpf“.

Wissenschaftler monieren, er habe Tiere mit solchen Beschreibungen vermenschlicht. Doch breiten Bevölkerungsschichten brachte er damit die Vielfalt der Tierwelt nahe - wie später etwa Bernhard Grzimek mit seinen Sendungen im Fernsehen.

Alfred Brehm sei ein Volksaufklärer gewesen, der Kenntnisse aus der Biologie verständlich vermittelt habe, erklärt Brehm-Kenner Dietrich von Knorre. Vater Christian Ludwig Brehm (1787-1864) gelte bis heute als einer der wichtigsten Altmeister der Vogelkunde. Er legte eine Sammlung von Vogelpräparaten an, die bei seinem Tod rund 9000 Stück umfasste. Sie lagert demnach heute im New Yorker Naturkundemuseum und dem Museum König in Bonn.

Von Knorre, ehrenamtlicher Mitarbeiter am Phyletischen Museum der Universität Jena, sieht noch viele interessante Fragestellungen rund um Leben und Werk der beiden Brehms. „Es fehlt immer noch an einer guten Biografie über Christian Ludwig Brehm und Alfred Brehm“, erläutert er. Zudem werde das Wirken Alfred Brehms als Ethnograph und Schriftsteller zu wenig wahrgenommen.

Für solche Untersuchungen sind Erhalt und Zugang etwa zum schriftlichen Nachlass der Brehms in der Gedenkstätte wichtig. Die stand zeitweise sogar ganz vor dem Aus, weil die Gemeinde das nötige Geld zum Unterhalt nicht mehr aufbringen konnte. Um die Schließung abzuwenden, wurde ein Zweckverband gegründet, dem mehrere umliegende Gemeinden angehören.

Wichtigstes Vorhaben ist nun die Generalsanierung des Hauses. Der immense finanzielle Aufwand wird schon jetzt deutlich. Süß spricht von einer halben Million Euro - mindestens. Woher das Geld kommt, ist noch unklar. Allerdings sei er mit verschiedenen Stiftungen im Gespräch. Geplant sei, auch die Ausstellung zum Leben und Werk Brehms zu überarbeiten. „Die jetzige Ausstellung ist in den 70er und 80er Jahren stehengeblieben“, konstatiert Süß. „Heute hat man einen ganz anderen museumspädagogischen Ansatz.“ Vielleicht auch deshalb seien zuletzt jährlich nur noch 2000 bis 2500 Besucher gekommen.

Rückenwind könnte ein Filmprojekt bringen, das gerade vorbereitet wird. Laut Süß will ein Filmteam für den Sender Arte zwei einstündige Filme über Brehm drehen und dazu im April auch Renthendorf besuchen. Für ihn ein untrügliches Zeichen, dass das Interesse am „Tiervater“ Alfred Brehm und seinem Vater, dem „Vogelpastor“ Christian Ludwig Brehm, ungebrochen ist.