Gelsenkirchener Parkstadion: Betonschüssel der Emotionen
Abriss: In der kommenden Woche fällt das Gelsenkirchener Parkstadion der Abrissbirne zum Opfer. Ein Rückblick auf bewegte Zeiten.
Gelsenkirchen. Die Spieler des FC Schalke 04 waren wirklich nicht zu beneiden. Sie sollten das kleine Wunder vollbringen, die Besucher des 70298 Zuschauer fassenden Gelsenkirchener Parkstadions in Emotionen zu versetzen. An einem an sich unwirklichen Ort, an dem sich die noch so kleinste Windböe zu einem gefühlten stürmischen Dauertief entwickelte. Und wenn auch noch Regen im Spiel war, war das Parkstadion wohl einer der ungemütlichsten Orte in der Republik.
Die Tropfen peitschten den Besuchern entgegen, selbst denen auf den besseren Plätzen der Haupttribüne - dem einzig überdachten Teil. Die Bierbecher füllten sich dann mit ungewolltem Inhalt, die Bratwurst kühlte so schnell aus, dass sie schon verschrumpelt war, ehe der Besitzer den letzten Bissen tun konnte. Damit ist jetzt bereits seit Mai 2001 Schluss, als das Parkstadion seinen Dienst quittierte und die moderne Arena zur neuen Spielstätte wurde. Nur noch die Erinnerung an diese Zeiten lebt weiter.
Mitte der kommenden Woche beginnt der vollständige Abriss des Parkstadions. Bisher war es noch von den heutigen Profis als Trainingsort genutzt worden, in wenigen Monaten werden dort eine kleinere Arena für die Amateure und weitere Trainingsplätze für ein völlig neues Erscheinungsbild sorgen.
Und doch haben es einige Schalker Mannschaften im Laufe der Jahre immer wieder mal wieder geschafft, das 1973 eingeweihte WM-Stadion zu einem Ort größter emotionaler Hitzigkeit zu erwärmen. Wer sich an das Parkstadion erinnert, der wird immer wieder an den wohl schmerzhaftesten Tag der jüngeren Vereinsgeschichte, den 19. Mai 2001, denken müssen. VierMinuten und 38 Sekunden wähnten sich die Schalker damals, im letzten Spiel im Parkstadion, bereits als Meister. Bayerns Patrick Andersson machte diese Träume aber noch zunichte und erzielte buchstäblich in letzter Sekunde das 1:1 für die Münchener in Hamburg. Der FC Bayern war Meister, der Meister der Herzen dagegen ertrank in seinen eigenen Tränen. Selbst die Fußball-Machos Rudi Assauer (Ex-Manager) und Huub Stevens (Ex-Trainer) weinten an diesem Tag so bitterlich, dass sogar einige Fans vom ewigen Erzrivalen Borussia Dortmund Mitleid mit den Königsblauen gehabt haben sollen.
Große Freudenfeste erlebte das Parkstadion allerdings auch. 1997, als die Schalker gegen Kerkrade, Trabzon, Brügge, Valencia, Teneriffa und Inter Mailand den Uefa Cup gewannen, da brodelte die Betonschüssel. So wie auch beim 6:6 im DFB-Pokal gegen den FC Bayern, als der damals 17-jährige Olaf Thon drei Treffer erzielte. Oder beim 6:1 gegen den BVB und immer wieder bei den Aufstiegen von der zweiten in die erste Liga. Auch wenn das Überspringen des Funkens nicht einfach war; die Ränge waren aufgrund der Leichtathletikbahn und der Bauweise weit vom Spielfeld entfernt. Oft half daher nur raten oder ein Fernglas bei der Einschätzung einer Spielszene.
So ähnlich dachte wohl auch ein wütender Fan im Jahr 1989, der mit den Entscheidungen von Schiedsrichter Michael Prengel in der Partie gegen Darmstadt98 (3:4) nicht einverstanden war. Er wollte dem Geschehen näher sein, machte sich auf den weiten Weg über den Absperrzaun auf den Rasen und trat Schiri Prengel in den Allerwertesten.
Das große emotionale Interesse an ihrem Klub haben die Schalker Anhänger indes nie verloren, egal wie ungastlich diese Spielstätte auch war. Bei einem Spiel gegen Blau-Weiß 90 Berlin im Juni 1989 kamen 66000, um ihr Team im Kampf gegen den Abstieg in die Oberliga zu unterstützen.
Irgendwann in den 80er Jahren: Es war einer jener Samstagnachmittage, für den das Parkstadion berüchtigt war: Elf Grad, peitschender Regen, Sturm. 30000 Zuschauern war’s usselig. Die Schalker spielten gegen den HSV. Deren Fans, ein paar Hundert, hatten es einfach. Der Wind trug ihre Anfeuerung von der Südkurve verstärkt auf den Platz.
Wir standen - wie immer - in der Nordkurve und gaben alles. Brüllten uns die Seele aus dem Leib, wie immer. Nur, auf dem Platz kam nichts an. Ein Auswärtsspiel im eigenen Stadion. Zehn Minuten lang. Dann hatte der Rest des Stadions die Situation begriffen. Zunächst eher verhalten, dann sich zum (akustischen) Orkan auswachsend übernahmen die Zuschauer auf der Haupttribüne das Kommando: Schaaaalke.
Das Stadion begann sich selbst zu feiern, vergessen waren Regen und Kälte. Die anschließende Erkältung erinnerte für eine geschlagene Woche an diesen Nachmittag. Eine Episode, wie sie symptomatischer nicht sein könnte für diesen hässlichen Betonklotz. Denn wissen Sie was ich vergessen habe? Das Ergebnis.