Afghanistan sucht den Superstar - Frauen haben es schwer
Kabul (dpa) - Weinen, zicken oder für den „Playboy“ ausziehen - das Treiben der angehenden „Superstars“, die RTL in Deutschland derzeit wieder sucht, beobachtet die Öffentlichkeit begeistert, belustigt oder allenfalls genervt.
In Afghanistan sehen die weiblichen Kandidaten der Show „Afghan Stars“ sich mit ganz anderen Problemen konfrontiert. „Wir bringen euch alle um, das höre ich immer“, erzählt die 18-jährige Latifa Azizi. „Wenn es hier schlimmer wird, muss ich irgendwann das Land verlassen.“ Die Drohungen kommen von ihren eigenen Verwandten.
Latifa hat es in der laufenden Staffel der Show unter die letzten vier Kandidaten geschafft. Die beste Sängerin sei sie nicht, gibt die junge Frau mit dem freundlichen Gesicht zu. Woche für Woche bekam sie die schlechteste Bewertung der Jury, aber die vielen Zuschauerstimmen am Telefon brachten sie immer wieder eine Runde weiter.
Als die Jury Latifas Auftritte besonders heftig kritisierte, suchte sie Rat. „Ich bin krank geworden. Deswegen bin ich dreimal zum Mullah gegangen.“ Mullah Mahtab ist ein islamischer Wahrsager - kein angesehener Beruf im konservativen Afghanistan, wo Astrologie als unislamisch verdammt wird.
Vergangene Woche riss die Glückssträhne aber ab. Von den vier verbliebenen Kandidaten bekam Latifa am wenigsten Stimmen. Alle anderen waren Männer. Doch Latifa hat noch Hoffnung: In der „Lucky Entry“-Folge der Show haben Ausgeschiedene die Chance, es noch einmal in den Wettbewerb zu schaffen. Den Titel holen konnte bisher noch keine afghanische Frau. Latifa will die erste sein. „Afghan Star“ wird vom Privatsender Tolo Television produziert, das Finale der achten Staffel steht bevor. Es ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten Shows des Landes. Diesmal bewarben sich 5000 Kandidaten, in der ersten Staffel waren es ein paar hundert.
Als Latifa es unter die letzten zwölf Kandidaten der aktuellen Staffel schaffte, wollte ihr Vater sie noch so schnell wie möglich verheiraten. Die Familie brauchte Geld. Wenige Wochen später zogen sie Latifa zuliebe in die Hauptstadt Kabul. Turkmenen aus Kanada und Deutschland unterstützten die 18-Jährige. „Weil ich die einzige singende Turkmenin bin“, glaubt Latifa. Die Turkmenen sind eine ethnische Minderheit in Afghanistan.
Doch der Gegenwind im eigenen Land war stark. Nicht nur Verwandte drohten der Familie. Latifa flog von der Schule. „Der Direktor hat mich rausgeworfen. Meine Lehrer haben gesagt, ich habe kein Recht auf den Unterricht, weil ich bei der Show mitmache.“
Dennoch sei die Akzeptanz gestiegen, sagt Habib Amiri, der „Afghan Star“ produziert. „Noch vor vier Staffeln waren alle fassungslos, dass Mädchen in der Show singen und tanzen.“ Eine Teilnehmerin der dritten Staffel musste das Land verlassen, weil sie bedroht wurde. „Jetzt voten sie für ein Mädchen. Die Einstellung des Publikums hat sich verändert.“