Bestattung auf Britisch - Cabrio statt Kreuz
London (dpa) - Graue Wolken hängen am Himmel über dem Londoner Manor Park Friedhof. Durch ein opulentes Tor sieht man bereits den kleinen Turm der Kapelle, die an das Krematorium grenzt.
Vorbei an moosbedeckten, viktorianischen Gräbern geht es durch den neueren Teil des Friedhofes - und da ist es dann: Das etwas andere Grab. Steve Marsh, der im April 2009 starb, liegt dort unter einem BMW Cabrio begraben. „Das ist natürlich schon eine Neuheit“, sagt Friedhofsleiterin Janet Briggs, „aber für die Familie hat es die gleiche symbolische Bedeutung wie beispielsweise ein Engel oder ein Kreuz.“ Im Land der Exzentriker ist bis zum Letzten einiges möglich.
Was auf einem deutschen Friedhof undenkbar wäre, lässt in Großbritannien die meisten Menschen kalt. Das Cabrio ist eine Nachbildung des Wagens, den Marsh tatsächlich fuhr. Wie viel das Gefährt für die letzte Reise gekostet hat, ist nur zu vermuten. Unter den Friedhofsgärtnern kursieren Preise zwischen 20 000 und 40 000 Pfund (rund 47 500 Euro), die die Witwe für den eigens aus Japan eingeschifften Grabstein gezahlt haben soll. Er ist komplett aus schwarzen Granit, auf dem Fahrersitz ist ein Foto des Verstorbenen.
Obwohl es anfangs Bedenken von Angehörigen anderer Verstorbener gab, gestattete Briggs das außergewöhnliche Denkmal: „Es ist schließlich das Letzte, was die Angehörigen für ihre Liebsten tun können.“ Marsh, ein ausgesprochener Autoliebhaber, hatte sich den Grabstein gewünscht.
Briggs plädiert für mehr Individualität letzter Ruhestätten. Mit Grauen erinnert sie sich an den Besuch eines deutschen Friedhofes mit in dunklen Farben gehaltenen Grabsteinen und großen Bäumen, die kaum Licht durchließen. „Ich konnte den Tod richtig spüren. Alles war, im Vergleich zu hier, so morbid“, sagt sie.
Die nötigen Freiheiten für eine etwas außergewöhnlichere Friedhofsgestaltung sind im britischen Gesetzestext zu den Richtlinien für Friedhofsleiter verankert: „Die Gestaltung der Gräber kann dazu dienen, auf individuelle Weise an den Verstorbenen zu erinnern, um den Hinterbliebenen Trost zu spenden“, heißt es dort. Prinzipiell sollten die Richtlinien keinesfalls „zu streng und nüchtern“ sein.
Genau das werfen einige Angehörige in Deutschland, denen es verwehrt blieb, ihre Trauer individuell zu gestalten, dem deutschen Gesetzgeber vor. In der Bundesrepublik ist das Bestattungsgesetz Ländersache. Oft haben einzelne Gemeinden eigene Friedhofsordnungen. Alles ist strikt geregelt und lässt wenig Freiraum. Ein Cabrio als Grabstein in Deutschland? „Ich vermute: Nein“, sagt Kerstin Gernig, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. „Nicht mit den teils anachronistischen Friedhofsordnungen.“
Doch auch die deutsche Bestattungskultur sei im Wandel, meint Gernig. Der Trend gehe mit selbst bemalten Särgen, privaten Grabbeigaben, persönlichen Trauerreden oder speziell ausgewählter Trauermusik zu einer individuellen Gestaltung. Selbst bei der äußeren Gestaltung des Grabes gebe es, um der Uniformität deutscher Friedhöfe zu entkommen, mittlerweile Alternativen wie die „Gärten der Erinnerung“, parkähnlich gestaltete Anlagen. „Das sind erste zarte Pflänzchen einer veränderten deutschen Bestattungskultur.“
Auf dem Manor Park Friedhof hat sich dieser Wandel bereits in den 80er Jahren angedeutet. Briggs Vorgängerin legte dafür sozusagen den „Grabstein“: Sie genehmigte 1985 einen Pick Up-Truck mit einem kleinen Kran auf der Ladefläche als Denkmal auf einer letzten Ruhestätte.