TV-Satiriker nimmt Stellung Böhmermann rechnet mit der Böhmermann-Affäre ab
Köln (dpa) - Jan Böhmermann hat sich seine Worte sorgsam zurechtgelegt. Während er vom Blatt abliest, erinnert seine Haltung fast an einen Bundeskanzler, der gerade eine Fernsehansprache an das Volk hält.
Und Böhmermann hat auch tatsächlich etwas ziemlich Politisches zu sagen: „Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes“, verkündet er. „Sondern des Staates“.
Einen Tag, nachdem die Staatsanwaltschaft Mainz erklärt hat, wegen seines „Schmähgedichts“ nicht mehr gegen Böhmermann zu ermitteln, rechnet der Satiriker in einem YouTube-Clip persönlich mit der sogenannten Böhmermann-Affäre ab.
Im März hatte er in seiner Sendung ein „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgetragen. Wie er sagte, wollte er damit den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik verdeutlichen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin allerdings wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Über Tage beschäftigte die Affäre Deutschland.
An der Art, wie Böhmermann in seinem rund siebenminütigen Clip diese ganze Geschichte kommentiert, ist abzulesen, wie ernst es ihm damit ist. Er bleibt für seine Verhältnisse relativ unironisch. Aus dem „juristischen Proseminar“, wie er das Gedicht heute nennt, macht er eine Art Witze-Seminar für Humor-Theoretiker. Kernfragen: Unter welchem Umständen kann Satire entstehen?
Dabei rechnet Böhmermann auch mit der türkischen Politik ab. „Während Sie dieses Video sehen, sitzen in der Türkei Menschen in Haft ohne Chance auf einen fairen Prozess, müssen ihre Reisepässe abgeben und dürfen das Land nicht verlassen“, erklärt Böhmermann. Einfach nur weil sie eine andere Meinung vertreten hätten. „Das ist Scheiße, und genau darum geht es.“ Um Meinungs- und Kunstfreiheit. Das ganze Theater um ihn sei dagegen selbst „ein großer trauriger Witz“.
Den Namen Merkel nimmt Böhmermann zwar nicht in den Mund. Im Subtext geht es aber natürlich um die Kanzlerin, die das Gedicht zunächst „bewusst verletzend“ nannte, diese Äußerung aber später als Fehler bezeichnete. „Politik, die diese grundlegenden Werte und Prinzipien, die Meinungs- und Kunstfreiheit standfest und notfalls offensiv verteidigt, kann jeden noch so geschmacklosen Witz souverän weglachen“, sagt Böhmermann.
Am Ende stimmt er noch einen Klassiker der Satire-Könige von Monty Python an: „Always Look on the Bright Side of Life“ aus „Das Leben des Brian“. War es das nun mit der Böhmermann-Affäre? So ganz wohl kaum. Die Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft gibt dem Komiker ganz neue Beinfreiheit, die Geschichte durch den Kakao zu ziehen. Dass er sie nicht unkommentiert stehen lässt, ist sowieso klar. Böhmermanns Schaffen besteht in großen Teilen aus Selbstreferenzialität.
Und auch Deutschland ist trotz der Böhmermann'schen Grundsatzrede wohl nicht vor einer neuen Affäre dieser Art sicher. Oder wie es die Direktorin des Grimme-Instituts, Frauke Gerlach, am Mittwoch formuliert: „Mein Eindruck ist, dass das Gedächtnis bei solchen Debatten kurz ist.“