Deutsche glauben an die Liebe fürs Leben
Berlin (dpa) - Die Deutschen gelten als nüchtern und sachlich, doch in Sachen Partnerschaft entpuppen sie sich als große Romantiker: Eine überwältigende Mehrheit von zwei Dritteln der Bevölkerung glaubt nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach fest an die Liebe fürs Leben.
Und die meisten sind überzeugt, den passenden Partner dafür zu finden - als eine der wichtigsten Voraussetzung fürs Lebensglück. In einem Land mit einer Scheidungsquote von fast 40 Prozent und 40 Prozent Single-Haushalten mag dieses Ideal erstaunen. Sogar nach gescheiterten Beziehungen halten die Deutschen eisern daran fest - Frauen noch etwas entschlossener als Männer.
Ein Widerspruch ist dieses zentrale Umfrage-Ergebnis für Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher nicht. „Heute sind weit weniger Menschen bereit, eine unglückliche Beziehung aufrecht zu erhalten als früher“, sagt sie. Die gewachsene finanzielle Unabhängigkeit ermutige mehr Frauen zur Trennung. Es sei wie ein Selektionsprozess: Partnerschaften, die halten, sind heute glücklicher als früher - denn die anderen sind auseinandergegangen.
Einfacher scheint es in der Welt der Beziehungen damit nicht geworden zu sein. Denn in Zeiten des Internets und vielfältiger Kontaktbörsen locken selbst in glücklichen Partnerschaften Versuchungen, die es früher so nicht gab. „Die Frequenz neuer Kontakte ist heute viel höher. Das stellt Paare stärker auf die Probe“, sagt Köcher. Es sei wie eine permanente Konfrontation mit der Glückssuche, die einen höheren Stellenwert habe als früher. Untere soziale Schichten verunsicherten die gewachsenen Wahlmöglichkeiten dabei stärker als Akademiker.
Das schillernde Angebot auf dem Partnermarkt hat Folgen. Wie bei Qualitäts-Rankings für Gebrauchsartikel im Internet scheinen Männer wie Frauen einem wachsenden Optimierungszwang zu verfallen. Vielleicht findet sich auf dem Basar der Möglichkeiten doch noch etwas Besserers als der oder die eigene Liebste? Selbst in glücklichen Beziehungen denkt laut Umfrage inzwischen jeder Vierte darüber nach. Damit lastet auf Partnerschaften mehr Druck als früher. Die Ehe gilt aber trotzdem nicht als Auslaufmodell.
Der Anteil der Singles in Deutschland wächst stetig - vor allem im mittleren Alter zwischen 30 und 60. Ein Drittel der Bevölkerung lebt nicht in einer Partnerschaft, doch nur zehn Prozent schätzen die Freiheiten des Alleinseins - darunter deutlich mehr Akademiker als sozial Schwache.
Der Rest der Singles ist langfristig auf Partnersuche. Dabei glauben sie deutlich seltener an die Liebe fürs Leben als Paare. Vor allem gut ausgebildete Frauen haben Ansprüche in Sachen Intelligenz, Freiraum - und wünschen sich einen Mann, der sich gut als Vater eignet. Dagegen wirken die Vorlieben gebildeter Männer wie ein Griff in vergessen geglaubte Klischeekisten: Das Aussehen einer Frau ist extrem wichtig - Bildung nicht so sehr.
Kinder spielen bei der Lebenszufriedenheit von Paaren eine geringe Rolle. Eltern fühlen sich nicht glücklicher als Kinderlose. Im Alter aber gibt es Konfliktpotenzial: Männer ab 60 schwenken bei den Ansprüchen an ihre Partnerin gern zum Modell Haushalthilfe über - und legen Wert auf Kochkünste und Ordnungsliebe. Das lässt heute nicht wenige Seniorinnen über Alternativen zu ihrer Ehe nachdenken.
Nicht unbedingt gerechnet hatten die Demoskopen auch mit dem Nähe-Bedürfnis vieler Paare. Getrennte Schlafzimmer, „Fremdflirten“ oder Urlaub ohne Partner gehören fast schon in die Tabu-Ecke. Fernbeziehungen werden fast nur als notwendiges Übel akzeptiert, nicht als dauerhaftes Lebensmodell. Viele Deutschen träumen also nicht nur von Romantik, sie wollen sie auch leben.