„Kinshasa Symphony“ in der ARD

Berlin (dpa) - Joseph Masunda Latunte klettert einen hohen Holzmast hinauf und befestigt einen Scheinwerfer - barfüßig und ungesichert. Kein High-Tech, keine hohen Standards moderner Industrieländer.

Im verarmten Kongo gibt es eigentlich viele Gründe, entmutigt zu sein. Doch unter dem Scheinwerferlicht werden der Elektriker Joseph und seine Freunde auf staubiger Straße musizieren. Die teils sehr bitteren Umstände in der Hauptstadt Kinshasa spielen dann keine Rolle mehr. Filmemacher Claus Wischmann und Martin Baer zeigen in dem Dokumentarfilm „Kinshasa Symphony“ am Mittwoch (ARD/23.30) eine kleine Welt voller Leidenschaft für klassische Musik - inmitten einer chaotischen Stadt, eines von Bürgerkriegen gezeichneten zentralafrikanischen Landes.

Im Laufe von rund 15 Jahren haben sich 200 Männer und Frauen dem „Symphonieorchester Kinshasa“ angeschlossen - kaum einer von ihnen ist ausgebildeter Musiker. Sie haben sich selbst beigebracht, Noten zu lesen, ihre Instrumente zu spielen und diese selbst zu bauen. „Früher hatten wir viele Instrumente“, erzählt der arbeitslose Pilot und Orchesterdirektor Albert Nlandu Matubanza. „Man hat uns ausgeraubt.“ Also fing er an, Saiteninstrumente zu bauen. Dafür opferte der Laie seinen Kontrabass, zerlegte ihn in Einzelteile, um seinen Aufbau zu verstehen.

Während auf der einen Seite Armut, Chaos und Arbeitslosigkeit den Orchester-Mitgliedern das Leben schwer machen, kämpfen sie auf der anderen Seite für ihre Leidenschaft: Sie musizieren auf der Straße, proben diszipliniert auf trostlosen kleinen Höfen zwischen Betonhäusern. Ihr Land, die Demokratische Republik Kongo, gehört zu den rohstoffreichsten Nationen Afrikas. Dennoch ist die Bevölkerung bitterarm - durch mehrere Bürgerkriege, bei denen es vor allem um die Rohstoffe ging, Misswirtschaft und Korruption.

Doch das schalten die Chorsängerinnen des Kinshasa-Orchesters aus, wenn sie an ihrer deutschen Aussprache für die 9. Symphonie Ludwig van Beethovens üben und den Text anstimmen: „Freude, schöner Götterfunken“. „Wenn ich Beethoven singe, fühle ich mich ganz weit weg. Dann bin ich nicht mehr hier“, sagt die kongolesische Chorsängerin Mireille Kinkina.

Für viele ist das Orchester ein Zufluchtsort - für einige Stunde fernab der Härte des Lebens - und ein Hoffnungsanker. „Ich träume davon, mit meiner Musik große Dinge zu machen“, sagt Mireille. Es erfüllt viele auch mit Stolz: „Es ist das einzige Orchester der Welt, in dem nur Schwarze spielen“, sagt der Jugendliche Trésor Wamba - er ist Tenor und singt auch im Chor.

Die Regisseure Wischmann und Baer halten in eindrucksvollen und authentischen Bildern nicht nur das Engagement der kongolesischen Musiker für ihr Orchester fest. Sie halten die Kamera auch auf das ungeordnete Treiben auf den selten asphaltierten Straßen Kinshasas oder sie zeigen die schwierige Situation, eine bezahlbare und dabei auch bewohnbare Wohnung zu finden.

Die Dokumentation ist verdient mehrfach ausgezeichnet und lief unter anderem auf der Berlinale. Was am Ende von 90 Minuten bleibt: Ein innerer tosender Applaus für die kongolesischen Musiker - aber auch ein Hauch von Melancholie.