Preview: Stuttgarter „Tatort“ um Mord in der Kloschüssel
Sarah hat keinen Grund zum Feiern: die halbe Familie im Knast oder auf bestem Weg dahin, sie selbst mit 13 strafunmündig und gern als Pseudo-Täterin vorgeführt. Das Stuttgarter „Tatort“-Team ermittelt in „Happy Birthday, Sarah“ auch an eigentlich unmöglichen Orten.
Stuttgart. Den Kopf in der Kloschüssel, ertrunken durch permanentes Spülen: Fast so schnell wie die Ursache für den Tod eines Sozialarbeiters feststeht, haben die beiden Stuttgarter „Tatort“-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ein Geständnis.
Problem Nummer eins: Sie glauben Sarah Baumbach nicht. Problem Nummer zwei: Das Mädchen ist erst 13 Jahre alt - und damit noch nicht strafmündig. Den Ermittlern helfen will die rotzfreche Jugendliche nicht, Hilfe annehmen aber auch nicht. Die ARD zeigt „Happy Birthday, Sarah“ am Sonntag (20.15 Uhr).
Bei seinem „Tatort“-Debüt schickt Regisseur Oliver Kienle Lannert und Bootz in ein sozial schwieriges Milieu. Provozierend fragt Jugendhausleiter Sven Vogel: „Sie arbeiten an den Toten, ich an den Lebenden - was ist wichtiger?“ In Sarahs Familie hat jeder einzelne mehr auf dem Kerbholz als die Sippe Mitglieder.
Schon im Kindesalter hat sie selbst es mit der Polizei zu tun. In der versifften Wohnung herrschen Gewalt und Grammatikprobleme. Mitunter wirkt es so, als habe sich eine Klischeefamilie aus den Reality-Formaten des Privatfernsehens ins Öffentlich-Rechtliche verlaufen. Sarah (gespielt von Ruby O. Fee, Jahrgang 1996) ist das alles ziemlich egal, sie steckt ihre Kopfhörer ins Ohr und schottet sich ab.
Gut von Kienle inszeniert dröhnt auch für den Zuschauer die Musik immer lauter. Gesprochene Worte sind nicht mehr zu verstehen. Eine eigene Welt, in der sich der Teenager auskennt. „Sarah wird um Mitternacht 14. Und bis dahin hat sie noch einen Schuss frei“, stellt Lannert irgendwann plötzlich fest, als von dem Mädchen jede Spur fehlt. Fünf vor zwölf im wortwörtlichen Sinn.
Auch wenn es nicht immer ganz so eilig ist, entwickelt sich in dieser Folge des sonst schon mal behäbig und piefig daherkommenden Stuttgart-„Tatorts“ tatsächlich hin und wieder Spannung. Für ruhigere, nachdenklichere Momente sorgt Bootz' Privatleben. Nach der Trennung von seiner Frau muss er den Umzug organisieren. Zudem jongliert er mit der Teilzeit-Rolle als alleinerziehender Vater und seinem Job, der ihm auch mal spontane Nachteinsätze abverlangt.
Ebenso bietet dieser „Tatort“ komische Momente wie einen Koloss von Hund, der auf den Namen „Rambo“ hört, aber ein Weibchen ist, und jeden anfällt, der ihn nicht rechtzeitig mit einem „Hallöle“ zum Männchenmachen animiert. Diese Augenzwinker-Note mag nicht zuletzt an Autor Wolfgang Stauch liegen, der auch das Drehbuch für den von einigen Kritikern als zu klamaukig beanstandeten Münsteraner „Tatort: Das Wunder von Wolbeck“ geschrieben hat.
Die Sendung hatten vor gut einem Jahr 12,11 Millionen Zuschauer gesehen - eine Hausnummer, von der der Südwestrundfunk (SWR) mit seinem immer besser harmonierenden Duo Lannert/Bootz bislang nur träumen kann. Wohl unfreiwillig komisch ist dagegen, dass sich Staatsanwältin Emilia Álvarez zum Ermitteln mit einem alten Bekannten ausgerechnet im Restaurant auf dem Stuttgarter Fernsehturm trifft.
Er ist zwar der weltweit erste und eine Art Wahrzeichen der Stadt. Im echten Leben hatte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Turm aber im März dieses Jahres - und damit kurz nach Ende der Dreharbeiten - aus Brandschutzgründen für den Besucherverkehr schließen lassen.