Krimi-Reihe 2017 war das Jahr der „Tatort“-Experimente

Berlin (dpa) - Im Oktober zog der „Tatort“ dieses Jahr besonders viel Aufmerksamkeit auf sich. Erst kam ein Münchner Krimi über die Sexfilmbranche, in dem es recht freizügig unter anderem um die Gruppensex-Praktik Bukkake ging.

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Eine Woche nach dem „Porno-"Tatort"“ folgte dann Dominik Grafs ambitionierter Stuttgarter RAF-„Tatort“, den manche Experten wie Stefan Aust zu realitätsfern fanden. Eine weitere Woche später war dann mit dem Bremer Ermittler Stedefreund - also Oliver Mommsen - erstmals ein komplett nackter Kommissar zu sehen. Und schließlich ärgerte oder amüsierte zu Halloween ein Frankfurter Grusel- und Gespensterkrimi die Fans klassischer Sonntagskrimikost.

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„Hardcore“, „Der rote Schatten“, „Zurück ins Licht“, „Fürchte dich“: So lauteten die Titel dieser Krimis. Es waren vier Filme der beliebten Reihe von insgesamt 35 neuen „Tatorten“, die bis zum Weimar-Krimi „Der wüste Gobi“ am zweiten Weihnachtsfeiertag im ARD-Programm standen.

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Der einzige Team-Neustart 2017, der Anfang Oktober lief, erfuhr dagegen vergleichsweise wenig Beachtung. Ohne den ursprünglich angekündigten und dann wieder abgesprungenen Entertainer Harald Schmidt blieb das neue Schwarzwald-Team des SWR als Nachfolger des Bodensee-„Tatorts“ zunächst recht blass. Die Besetzung der Ermittler Franziska Tobler und Friedemann Berg - die Schauspieler Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner - dürfte aber, ähnlich wie beim Franken-„Tatort“ mit Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs, noch einiges Potenzial haben.

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Das Kalenderjahr startete übrigens ohne Neujahrs-„Tatort“. Der ursprünglich für den 1. Januar vorgesehene Dortmunder Krimi „Sturm“, der sich um einen terroristischen Anschlag dreht, wurde verschoben und durch einen „Polizeiruf 110“ ersetzt - mit Rücksicht auf die Opfer des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Der Film lief dann Ostermontag. Letzten Endes ging es in dem Krimi aber gar nicht um Islamismus, sondern um Habgier, was sich eher mit den Vorwürfen beim Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund im April - eine Woche vor Ostermontag - deckte.

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Alles in allem waren die Fälle beim „Tatort“ wieder vielfältig - was natürlich viele nicht hinderte, sich im Internet über diesen oder jenen zu beschweren. Krimis sind und bleiben halt Geschmackssache.

Gute Folgen gab es mal wieder aus Wien, gelungen waren auch die Fälle aus Berlin wie der spannende Twist-Thriller „Amour fou“ mit einem überraschenden Ende und einem überragenden Jens Harzer als einem Mann, der um seinen Mann trauert.

Für die „Bild“-Zeitung der „schlechteste 'Tatort' aller Zeiten“ war dagegen der Dialekt-Krimi „Babbeldasch“ aus Ludwigshafen, den Axel Ranisch mit Ulrike Folkerts und Laienschauspielern drehte.

Es war wohl in erster Linie dieser zum Teil improvisierte Film von Ende Februar, der ARD-intern eine Debatte über zu gewagte „Tatorte“ auslöste. Volker Herres, Programmdirektor des Ersten, sagte der „Bild am Sonntag“, Experimente seien ja okay, „solange es nicht in einen Wettlauf der Redaktionen mündet, wer den abgedrehtesten Film produziert“.

Der ARD-Koordinator Fernsehfilme, Jörg Schönenborn, bestätigte Ende Oktober der Deutschen Presse-Agentur „Tatort-Fundus“-Informationen, es solle künftig nur noch „zweimal im Jahr auch 'experimentelle' Krimis“ geben.

Die mit Abstand beste Einschaltquote hatten auch 2017 wieder die WDR-Fälle aus Münster. Für den Film „Fangschuss“ mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers wurden am 2. April etwa 14,6 Millionen Zuschauer gemessen. Das war die höchste Zuschauerzahl seit 25 Jahren für einen „Tatort“. Für den anderen Münster-Fall „Gott ist auch nur ein Mensch“ im Herbst wurden dann immerhin noch etwa 12,9 Millionen gemessen.

Mehr als zehn Millionen Zuschauer holte wieder Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm, deren Krimi „Der Fall Holdt“ rund um die Entführung der Frau eines Bankiers in einer Kleinstadt Anleihen beim echten, sieben Jahre alten Heidenheimer Fall Bögerl machte.

Das Stuttgarter Team profilierte sich neben dem RAF-„Tatort“ noch mit der teuren Folge „Stau“, für die eine Messehalle in Freiburg per Computertechnik zur Stuttgarter Weinsteige verwandelt wurde. Lannert und Bootz (Richy Müller und Felix Klare) ermitteln darin unter Zeitdruck in einem Verkehrsstau, in dem der Täter noch sein muss.

Beim Dresdner Team gab es im November eine kleine Panne, die kurz vor der Ausstrahlung behoben wurde. Nach einer Vorab-Kritik der „taz“ überarbeitete der MDR den Krimi „Auge um Auge“ nochmal, da sonst erkennbare Pegida-Demonstranten ohne logischen Kontext als Retter eines Rollstuhlfahrers gut weggekommen wären.

Apropos Dresden: Der dortige Rechtsmediziner Falko Lammert (Peter Trabner) erhielt im Herbst eine Web-Miniserie. „Lammerts Leichen“ ist damit zwar nicht das erste Spin-Off des „Tatorts“ - man denke an „Schimanski“ - aber zumindest der erste Internet-Ableger.

Ansonsten war auffällig, dass die Quoten ziemlich schwankten: Viele Fälle hatten zwar die recht normale Zuschauerzahl von acht bis neun Millionen, es gab jedoch auch Ausreißer nach unten. Der umstrittene „Babbeldasch“ kam zum Beispiel nur auf 6,4 Millionen Zuschauer.

Tiefpunkt war direkt vor der Sommerpause der Kieler Krimi „Borowski und das Fest des Nordens“, den lediglich 6,1 Millionen einschalteten. Es war der letzte Fall der Schauspielerin Sibel Kekilli als Sarah Brandt. An Axel Milbergs Seite spielt bald Almila Bagriacik.

Bei der Sendetermin-Verteilung aufs Jahr fiel auf, dass zum Beispiel die drei Kölner Krimis 2017 alle bis Ende März weggesendet waren. So blieb das 20. Jubiläum des Teams Anfang Oktober ohne Ausstrahlung eines neuen Falls. Gegen Ende des Jahres waren dann kurz hintereinander zwei Fälle mit Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz zu sehen: In „Böser Boden“ ging es um Fracking und zombie-ähnliche Landbewohner und in „Dunkle Zeit“ um Rechtspopulismus, was dem NDR-Krimi den Spitznamen „AfD-'Tatort“ einbrachte.