"Tatort"-Kritik „Tatort: Hardcore“: Ermittlungen im Pornomilieu führen bis an die Schamgrenze

Im Münchner Tatort müssen die Kommissare tief ins Pornomilieu abtauchen. Dabei gelangen nicht nur Batic und Leitmayr an ihre Schamgrenze.

Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) am Set im Gespräch mit den beiden Pornodarstellern (Martin Bruchmann und Sebastian Fischer).

Foto: Hagen Keller

Eine junge Frau wird halbnackt und erdrosselt in einem Geschäftsgebäude in der Münchner Innenstadt aufgefunden, in dessen Räumen im obersten Stockwerk am Abend zuvor die Dreharbeiten eines Hardcore-Pornofilms stattgefunden haben. Bei der Toten handelte es sich um die Hauptdarstellerin der Produktion.

Die Kriminalhauptkommissare Batic und Leitmayr müssen in ihrem 77. gemeinsamen Fall tief ins Pornomilieu abtauchen. Dabei treffen sie auf die konkurrierenden Pornoproduzenten Olli Hauer und Sam Jordan, die beide mit Luna Pink (so der Künstlername der erdrosselten Darstellerin) gearbeitet haben und gleichermaßen ums berufliche Überleben kämpfen.

Neben den schmierigen Produzenten führen sie die Ermittlungen tief in die Pornoszene. Sie ermitteln unter aktiven und ehemaligen Darsteller/innen, bei Eltern und Kindern von Darstellern und werden zwischenzeitlich sogar selber für Pornodarsteller gehalten.

Zartbesaitete Zuschauer sollten sich früh an das Ambiente dieses Krimis gewöhnen und sich im Klaren darüber sein, dass es in diesem Tatort nicht zimperlich zugeht. Das ist durchaus dem Sujet geschuldet. Der Bayerische Rundfunk präsentiert hier auf 90 Minuten mehr nackte Haut, als die ganze letzte Staffel „Game of Thrones“ zu bieten hatte. Aber das reine Zurschaustellen von nackter Haut spielt in den thematisierten „künstlerisch wertvollen Liebesfilmen“ (Leitmayr) eine geringere Rolle. Neben der Leiche finden die Kommissare ein „Becken voller Pisse und Sperma“. Unter Mordverdacht stehen die 26 männlichen Darsteller.

Der Fall wird spannend und in einem hohen Tempo erzählt. Es gibt reichlich verdächtigte Personen und Motive. Hintergründig geht es um Doppelleben, Doppelmoral, geheime Sehnsüchte, ultrakapitalistische Pornoproduzenten, die für einen Verkaufserfolg jede moralische Grenze überschreiten.

Trotzdem hat der Tatort einen erheblichen Haken: Pornographie ist die aufmerksamkeitsgeilste aller filmischen Gattungen. Wo sie auftaucht, oder auch nur thematisiert wird, haben es alle anderen Themenkomplexe enorm schwer die Aufmerksamkeit des Publikums zu erhaschen. Gleichzeitig löst Pornographie aber auch zwanghaft extreme Reaktionen hervor: entweder triebhafte Faszination oder abstoßendes Verhalten.

Das Thema drängt sich so penetrant in den Vordergrund des Tatorts, dass der Zuschauer und die Kommissare regelmäßig an ihre Schamgrenzen gelangen.

Um diese zu Umspielen versuchen das Drehbuch die Situationen von Zeit zu Zeit mit Humor aufzulockern. Das gelingt meist dann am besten, wenn die Kommissare die absurden Titel der fiktiven Pornoproduktionsfirma „Fickflix“ vorlesen: „Glasierte Früchtchen“, „Löschkommando extrem“, „Game of Throats“, „Cumshot-King“… Joko und Klaas lassen grüßen.

Besonders skurril ist die Szene, in der Batic und Leitmayr undercover bei einem Pornodreh ermitteln und wie selbstverständlich für Darsteller gehalten werden. Batics ungelenke Art sich herauszureden gehört zu den Highlights des Films.

Die guten Ansätze der verzwickten Kriminalhandlung werden durch die polarsierende Thematik erdrückt und lassen den Film letztlich wie eine postmoderne Collage aus Krimi, Porno und Joko-und-Klaas-Klamauk (Porno-Ping-Pong) wirken. Das mag den Zeitgeist treffen, ein guter Film wird es am Ende aber nicht.