Promi-Reporter Paul Sahner erlag Herzinfarkt

München (dpa) - Er war der Mann, der Rudolf Scharping beim Planschen ertappte. Im August 2001 druckte die Illustrierte „Bunte“ eine Homestory mit dem damaligen SPD-Verteidigungsminister. Die Fotos dazu waren recht freizügig.

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Der Chef der Bundeswehr beim vergnügten Bade im Pool mit seiner Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati. Die Story des „Bunte“-Gesellschaftsreporters Paul Sahner war ein Affront vor allem gegenüber den Bundeswehrsoldaten, die damals auf dem Balkan dem Tod ins Auge sahen. Der Chef planscht und turtelt in aller Öffentlichkeit, während seine Jungs kämpfen. So etwas geht gar nicht.

Es war nur einer von vielen Glamour-Skandalen, die Sahner im Laufe seiner Karriere als Promi-Reporter aufdeckte, nur eine von vielen Intimbeichten, die er seinen Gesprächspartnern abnahm, um dann in einem eher unaufgeregten Stil darüber zu schreiben. Jetzt ist Sahner in seiner Wahlheimat im oberbayerischen Chiemgau gestorben, wo er zusammen mit seiner zweiten Frau Martina in einem umgebauten Bauernhaus lebte. Er erlitt einen Herzinfarkt, nur wenige Wochen vor seinem 71. Geburtstag. „Unsere Traurigkeit ist unbeschreiblich“, ließ „Bunte“-Chefredakteurin Patricia Riekel verlauten.

Er hatte sie eigentlich alle: Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki plauderte mit ihm über dessen offene Ehe, Schauspieler Horst Buchholz über seine Männerliebschaften, Udo Jürgens über Selbstbefriedigung. Sahners große Jürgens-Biografie „Merci, Udo!“, erschienen kurz nach dem Tod des Superstars, war einer seiner größten Erfolge auch als Buchautor. Zuvor hatte er schon Künstlerbiografien unter anderem von Pink Floyd, Rod Stewart und Karl Lagerfeld verfasst. 1996 begleitete er Richard Gere und den Dalai Lama bei einer Reise durch die Mongolei. Das war einer seiner größten Scoops.

Sie alle soll er mit seinem gepflegten, noblen Habitus, seinem Grandseigneur-Charme, seinem etwas traurigen, unschuldigen Hundeblick eingefangen haben. Oft erzählte er seinen Interviewpartnern auch von seine eigenen Schwächen. Dann öffneten sie sich ihm, die Promis, erzählten dem Mann von der Klatschpresse, was sie anderen nicht erzählten.

In der breiten Öffentlichkeit war Sahner vielleicht nicht so bekannt wie Michael Graeter von der „Münchner Abendzeitung“, dem Helmut Dietl in seiner TV-Serie „Kir royal“ mit der Figur des Baby Schimmerlos ein Denkmal gesetzt hatte. Doch er war wohl deutlich einflussreicher. Alle kannten ihn - und er kannte alle.

Den Journalismus hatte Sahner von der Pike auf erlernt. Geboren im westfälischen Höxter, volontierte er beim „Westfalenblatt“, wo er danach, schon mit 22 Jahren als Lokalchef tätig war. 1969 wechselte er als Polizeireporter zu „Bild“ nach München, das sich gerade anschickte, zur heimlichen Hauptstadt des deutschen Boulevards zu werden. „Ich hatte einen Hang zum Exhibitionismus, das gefiel mir.“

Bevor sich Sahner 1994 fest bei der Illustrierten verdingte, schrieb er für diverse Medien wie „Quick“ oder „Stern“ und leitete zwei Jahre die deutsche Ausgabe des Männermagazins „Penthouse“. Von 2001 bis 2014 war er auch Mitglied der „Bunte“-Chefredaktion. Im Juli vergangenen Jahres ging er auf Teilzeit und arbeitete an seiner Autobiografie, die im Herbst erscheinen soll.

Berühmt-berüchtigt waren die Fragen, mit denen Sahner seine Interviews einleitete. „Die Leute müssen denken: So eine Frage hat mir noch keiner gestellt“, sagte Sahner in dem Interview der Fachzeitschrift „Medium Magazin“. „Wie zynisch sind Sie eigentlich?“, fragte er den Entertainer Harald Schmidt. Vom Fußballer Thomas Müller wollte er wissen, wie die Hauptstadt Brasiliens heißt, Bundestrainer Jogi Löw konfrontierte er mit dem Philosophen Immanuel Kant. „Es ist mir egal, ob sie mich mögen oder hassen“, sagte Sahner. „Schlimm finde ich nur, wenn ihnen meine Gespräche gleichgültig sind.“

Sahner war kein Haudrauf. Er legte es nicht darauf an, seine Gesprächspartner bloßzustellen. „Ich versuche, einen Fairtrade-Journalismus zu machen“ - so nannte er das fragile Spiel des Gebens und Nehmens im Boulevardjournalismus. Er wolle Geschichten schreiben, „bei denen ich die Betroffenen überzeugen konnte, dass es auch in ihrem Interesse ist, das erste Mal öffentlich über etwas zu sprechen.“

Rudolf Scharping übrigens soll Sahner wegen der Pool-Geschichte trotz der negativen Folgen fürs Image nicht böse gewesen sein. „Er hat das anders gesehen, eher als Befreiungsschlag“, erinnert sich Sahner. „Er war politikverdrossen und wie ein Pennäler in seine Gräfin verliebt.“