Schlimmer Unfall bei „Wetten, dass..?“
Düsseldorf (dpa) - Entsetzen über den Unfall bei „Wetten, dass..?“, Sorge um den schwer verletzten Kandidaten Samuel Koch, eine neue Debatte um die Quotenjagd im deutschen Fernsehen.
Das Unglück vor den Augen von 8,13 Millionen Fernsehzuschauen bei Thomas Gottschalks Wettshow am Samstagabend in Düsseldorf wird Folgen haben. Der Showmaster ist geschockt. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut kündigte eine gründliche Untersuchung und Konsequenzen an.
Kochs Zustand war am Sonntag sehr kritisch. Der 23-Jährige war am Vorabend mit Federbeinen über fahrende Autos gesprungen und gestürzt. Koch liege im künstlichen Koma, auch wenn keine akute Lebensgefahr bestehe, sagte der ärztliche Direktor der Uniklinik Düsseldorf, Prof. Wolfgang Raab. Er habe eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule. Sein Rückenmark sei verletzt. Koch habe Lähmungserscheinungen. Der Patient musste eine zweieinhalbstündige Notoperation überstehen. Ob Schäden bleiben könnten, wollte Raab nicht sagen.
Der passionierte Sportler hatte bei der ZDF-Liveshow in der Düsseldorfer Rheinhalle gewettet, mit Hilfe von Federbeinen über fünf fahrende Autos zu springen. Dafür schnallte er sich die Sprungfedern unter die Füße. Der Salto-Sprung gelang ihm bei zwei Wagen. Danach streifte er ein Auto, das ausgerechnet sein Vater steuerte. Der 23- Jährige geriet ins Trudeln und prallte mit voller Wucht auf den Boden. Dort blieb er regungslos liegen. Das ZDF brach die Übertragung ab - erstmals in der Geschichte der beliebten Sendung.
Die Unglücksshow hatte eine besonders hohe Zuschauerquote: 8,13 Millionen Menschen sahen die Sendung, das entsprach einem Marktanteil von 25,6 Prozent. Gottschalk sah seine Show nicht infrage gestellt. „Im Moment geht es weder um mein Moderatorenschicksal noch um die Zukunft der Sendung, sondern ausschließlich um die Gesundheit von Samuel“, sagte Gottschalk der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Der ZDF-Verwaltungsratschef Kurt Beck forderte eine Quotendebatte in dem öffentlich-rechtlichen Sender. Das ZDF dürfe gewissen Fragen nicht ausweichen. „Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden“, sagte Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist, der Zeitung „Die Welt“.
Die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner warnte vor einem gefährlichen Buhlen um Fernsehzuschauer. Sie appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Fernsehmacher, „im Kampf um bessere Quoten das Maß nicht zu verlieren“. Die Zuschauer müssten sich fragen, ob sie den Druck des Höher, Schneller, Weiter wollten.
ZDF-Programmchef Bellut kündigte an, Lehren aus dem Unfall zu ziehen: „Klar ist natürlich, dass wir bei "Wetten, dass..?" nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“
Bereits bei den Proben war Koch gestürzt, wie er der „Badischen Zeitung“ vor seinem Unfall sagte: „Der Wettteil klappt noch nicht. Bei den Proben am Donnerstag bin ich zweimal schwer gestürzt.“ Die Proben hätten ihm zwar eine „gewisse Sicherheit“ gegeben. „Ich bin aber doch noch skeptisch.“
Nach dem Unfall sagte Gottschalk im ZDF-„heute journal“, es sei das erste Mal in seiner Karriere, dass er die erfolgreiche Show abgebrochen habe. „Wir wollen nicht auf heiter machen, wenn wir nicht heiter sind.“ Für ihn seien die Ereignisse eine „ganz furchtbare Erfahrung“. Der Sender will nötigenfalls Konsequenzen ziehen.
Das Unglück geschah kurz nach Beginn der 192. „Wetten, dass..?“- Ausgabe gleich bei der ersten Wette. Beim ersten Sprung mit den Federn, die als „Powerizer“ oder „Poweriser“ im Handel sind, kam der Hobby-Kunstturner Koch ohne Probleme über einen Kleinwagen. Beim vierten Versuch dann der Unfall. Koch studiert in Hannover und stammt aus Efringen-Kirchen in Baden-Württemberg.
Die Wettpaten, Komiker Otto Waalkes und Model Sara Nuru, reagierten ebenso geschockt wie das Saalpublikum. Fernsehleute spannten ein Tuch um die Unfallstelle. Gottschalk unterbrach die Sendung zunächst - das ZDF blendete Musikvideos ein. Dann brach Gottschalk die Sendung - bei der auch Take That und Justin Bieber auftreten sollten - komplett ab. „Ich bringe es nicht fertig, jetzt hier weiter zu moderieren“, sagte er kreidebleich und schickte die Zuschauer mit den Worten nach Hause: „Ich entlasse Sie ratlos. Ich bin ratlos, Sie sind ratlos - und traurig sind wir alle.“