Streit um Rundfunkbeitrag: Schlagabtausch vor Gericht
Leipzig (dpa) - Für etwas zahlen müssen, das man gar nicht nutzt? Das kommt dem ein oder anderen unfair vor. So geht es auch den Klägern mit dem Rundfunkbeitrag. In früheren Zeiten, genau gesagt bis Ende 2012, war alles anders: Wer Radio hörte, zahlte nur dafür, wer zusätzlich Fernsehen guckte, entsprechend mehr.
Doch aus der früheren Rundfunkgebühr ist der Rundfunkbeitrag geworden, der pauschal pro Wohnung erhoben wird - selbst wenn es dort gar kein Rundfunkgerät gibt. Viele Kläger sind darüber verärgert und halten das aktuelle Beitragsmodell für ungerecht oder sogar für verfassungswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig prüft das nun. An diesem Mittwoch hat vor dem 6. Senat der Marathon der mündlichen Verhandlungen begonnen.
Die Richter wollen bis Donnerstagnachmittag insgesamt 14 Klagen mündlich verhandeln und den Klägern ausgiebig Gelegenheit geben, ihre Position darzulegen. Die Kläger machen geltend, sie müssten den Beitrag von aktuell 17,50 Euro im Monat bezahlen, obwohl sie gar kein Rundfunkgerät oder nur ein Radio besitzen. Beklagte in Leipzig sind der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und der Bayerische Rundfunk (BR).
Urteile zum Rundfunkbeitrag hat es schon zahlreiche gegeben. In den Vorinstanzen sind die Kläger stets gescheitert. Aber das muss nichts heißen. Die Leipziger Richter könnten das durchaus anders sehen. Ihre Entscheidung wollen sie am Freitagvormittag verkünden.
Am Mittwoch ging es vor allem um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Rundfunkbeitrag pro Wohnung zu erheben und ob er als Steuer zu betrachten sei, für die die Länder, die den Beitrag im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beschlossen haben, nicht die Gesetzgebungskompetenz hätten. Das sei eindeutig nicht so, argumentierte WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel vor Gericht. Denn Steuern werden erhoben, ohne Bezug zu individuellen Gegenleistungen. Den gebe es in diesem Fall aber: Die Gegenleistung seien die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Dabei komme es nicht darauf an, ob der einzelne diese Leistung in Anspruch nehme. Entscheidend sei schon die Möglichkeit dafür. Das bewertete die Klägerseite ausdrücklich anders: Er sehe keine Gegenleistung für Wohnungsinhaber, betonte einer der Anwälte. „Dann könnte man auch dem Garageninhaber die Kfz-Steuer abverlangen.“ Hinzu komme, dass ein Ein-Personen-Haushalt den gleichen Beitrag zahle wie ein Sechs-Personen-Haushalt. Und umstritten ist auch, ob in allen Haushalten auch nur die Möglichkeit besteht, Rundfunk zu empfangen.
„Früher war klar, wenn jemand ein Gerät hat, ist davon auszugehen, dass er es auch nutzt“, erläuterte ein Klägeranwalt. Aber nicht bei jeder Wohnung sei davon auszugehen, dass dort Rundfunk empfangen werde.
Allerdings gebe es in praktisch 100 Prozent der Haushalte heute TV-fähige Empfangsgeräte, argumentierte Michel. Dazu gehörten auch PCs, Laptops, Tablets und Smartphones. Die Anwälte der Gegenseite bezweifelten die Zahl und wiesen außerdem darauf hin, dass mobile Geräte ja nicht zuletzt außerhalb der Wohnung zum Einsatz kämen. Außerdem sei nicht zu erkennen, inwieweit vor allem öffentlich-rechtliche Angebote genutzt würden. Ein Kläger betonte, er verzichte komplett darauf und sei deshalb nicht bereit, den Rundfunkbeitrag zu bezahlen.
Am Donnerstag wird weiterverhandelt - über sechs weitere Klagen. Und egal wie die Leipziger Richter entscheiden, vermutlich geht es dann nach Karlsruhe. „Entschieden wird diese Frage letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht“, sagte SWR-Justiziar Hermann Eicher, innerhalb der ARD federführend beim Thema Beitragsrecht. Denn sowohl für die Kläger als auch für die Beklagten ist das Thema so wichtig, dass der Rechtsausweg komplett ausgeschöpft werden dürfte.