Heynkes Ehrenringträger in Mönchengladbach Hoeneß: „Ich verneige mich vor seinem Lebenswerk“
Bei der Verleihung des Ehrenrings der Stadt Mönchengladbach an Jupp Heynckes hält Uli Hoeneß die Laudatio. Und besingt eine Männer-Freundschaft, die ziemlich viel ausgehalten hat _ und Hoeneß selbst gerade erst zugutegekommen ist.
Mönchengladbach. Jupp Heynckes schritt in den Kaisersaal im Obergeschoss des Hauses der Erholung in Mönchengladbach, an seiner Seite seine Gattin Iris. Im Gefolge der Mann, der für erhebliches Medieninteresse an einer Veranstaltung gesorgt hat, die ohne ihn ein ehrenwerter Vorgang, aber doch nicht das ganz große Medienspektakel gewesen wäre: Uli Hoeneß, am 29. Februar aus dem Gefängnis entlassener Ex-Präsident des FC Bayern München, kam mit seiner Ehefrau Susi. Leicht gebückte Haltung, vielleicht demütig, aber dann doch auch spürbar erleichtert, sich Stück für Stück zurück ins Leben arbeiten zu können. Dieses Mal an der Seite von guten Freunden. Fußballer, eben solche, die es in Vielzahl sicher noch immer gut mit ihm meinen.
Die Kameras surrten, die Augen der Gäste, die zur Verleihung des Ehrenrings der Stadt Mönchengladbach an Heynckes als dessen 33. Träger gekommen waren, hingen erst einmal an: Hoeneß. Heynckes wird sich darüber kaum beklagen können: Er selbst hatte Hoeneß gebeten, zwei Wochen nach der Haftentlassung die Laudatio für seinen Freund zu halten. Viel erlebt haben sie zusammen, Titel und Tränen geteilt. „Ich habe in meinem Sportler-Leben einen großen Fehler gemacht“, sagte Hoeneß, als ihm Moderator Dieter Kürten das Wort gab. „Das war, als ich einer Trennung von Jupp in seiner ersten Amtszeit als Trainer beim FC Bayern zu schnell zugestimmt habe.“
Anschließend sei es im Hoeneß-Heim in Ottobrunn in der Finkenstraße emotional zugegangen. „Wir haben beide geheult wie die Schlosshunde. Das war Jupp Heynckes, da ist Freundschaft entstanden“, fand Hoeneß und erzählte, wie sie tags darauf gemeinsam dem Bayern-Starensemble Heynckes’ Nachfolger Sören Lerby vorgestellt hätten. Hoeneß: „Heute wäre das unvorstellbar.“
Die Männer-Freundschaft zwischen Heynckes und Hoeneß war der Rahmen einer Veranstaltung, die der Laudator auch in eigener Sache nutzte. Er wolle sich bedanken, so Hoeneß, für die Unterstützung, die er in der für ihn „schwierigen Zeit erhalten“ habe. Und berichtete von handgeschriebenen Briefen des gestern anwesenden Rainer Bonhof, die er unter Tränen im Gefängnisbett gelesen habe. Auch Günter Netzer und Berti Vogts hätten ihm beigestanden. Heynckes selbst habe ihm einen Videofilm gefertigt, „an dem er angeblich hundert Stunden gearbeitet hat“. Honeß‘ Bewertung: „So etwas Emotionales haben sie noch nie gesehen.“ Überhaupt viel Unterstützung für den wegen Steuerhinterziehung verurteilten Hoeneß sei aus Mönchengladbach gekommen. „Von einem Verein, dem ich früher Spieler wie Del’Haye, Matthäus und Effenberg weggeklaut habe.“ Nicht mal Mitglied sei er bei der Borussia, sagte Hoeneß und folgerte: „Müsste man mal ändern.“
Hoeneß sah dabei aus, als sei er nie weggewesen, er wirkte durchaus stark und gefestigt, sprach ohne Manuskript. Es sei „fantastisch“, dass er, Hoeneß, als Laudator gekürt worden sei, „wenn man, wie ich, einen großen Fehler gemacht und dafür gebüßt hat.“ Und er schloss mit den Worten bei brüchiger Stimme: „Ich möchte mich vor deinem Lebenswerk verneigen.“
Hervor traten in seiner Laudatio zwei Pointen der Fußball-Geschichte, die so bislang nicht bestätigt waren. Als sich Hoeneß nämlich in die Idee verrannt habe, einen Vertrag mit Pep Guardiola zu schließen, sei Heynckes damit seinerzeit gar nicht einverstanden gewesen. „Du warst sauer, verständlicherweise. Aber Du hast dir gesagt: Den Idioten zeige ich es jetzt.“ Danach wurde Heynckes Meister, Pokalsieger und Champions League-Sieger mit dem FC Bayern. Hoeneß sagt: „Die Spieler sind für Dich durchs Feuer gegangen.“ Und auch an den Tag, an dem Heynckes aus Leverkusen zur dritten Bayern-Amtszeit überredet worden sei, erinnerte Hoeneß: „Ich hatte gelesen, dass einer in Leverkusen gesagt hat: Wenn Heynckes geht, haben wir einen Plan 1B. Ich habe Jupp morgens um 8.15 Uhr angerufen und ihm gesagt: Jupp, wir haben beim FC Bayern nur ein Plan 1A.“ Hausen habe er mit Frau Iris damals im möblierten Haus der Hoeneß können. Immerhin war Heynckes, so erzählte der selbst, in seiner Karriere 18 Mal umgezogen. Heynckes: „Und obwohl ich in den 50 Sportler-Jahren mehr als die Hälfte nicht in meiner Heimat verbracht habe, ist Heimat ein zentraler Begriff und Wert in meinem Leben. Es ist ein Lebensgefühl, das mich nie verlassen wird.“
Heynckes menschliche Stärken kamen an diesem Nachmittag wahrlich nicht zu kurz: Dem anwesenden Ex-DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach wünschte der 70 Jahre alte Geehrte mit Wohnsitz in Schwalmtal außerhalb der 266 000-Einwohner-Stadt am Niederrhein nach dessen Demission im Zuge der Sommermärchen-Affäre, den „deutschen Fußball weiter im Kreis von Fifa und Uefa vertreten zu dürfen.“ Und dann bat Heynckes noch um einen Ehren-Applaus für Gerd Müller, „der in einem Pflegeheim in seiner eigenen Welt lebt. Ich weiß, dass er ein großartiger Fußballer, aber ein noch viel besserer Mensch war.“
Viele waren gekommen, die ein Sportlerleben mit Heynckes geteilt haben: Netzer, Vogts, Bonhof. Hacki Wimmer, Horst Köppel und Ewald Lienen, dazu Gladbach Präsident Rolf Königs, DFB-Vizepräsident Perter Frymuth, auch Heynckes’ ehemaliger Assistent Peter Herrmann, dem zeitgleich bei Fortuna Düsseldorf der Cheftrainer Marco Kurz abhanden gekommen war, war da. Wie Wolf Werner. Heynckes hatte sie alle persönlich eingeladen, darunter auch den langjährigen Redakteur der Westdeutschen Zeitung, Jochen Schmitz, der Heynckes’ Karriere beruflich verfolgt hatte. Mit brüchiger Stimme sagte Heynckes: „Ich bin sehr gerührt, dass ihr hier seid.“
Dann erhielt der so Gelobte auf einstimmigen Ratsbeschluss den seit 1952 insgesamt 32 Mal verliehenen Ehrenring der Stadt Mönchengladbach. Ein Ring, der vor ihm laut Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners nur einem anderen Sportler überreicht worden war: 1974 an Hennes Weisweiler, Heynckes’ sportlichem Ziehvater. Einziger lebender Träger ist derzeit nun neben Heynckes der Mönchengladbacher Künstler Heinz Mack, zu dem Heynckes auch noch eine nette Anekdote einfiel: Macks Bilder hingen einst in Günter Netzers Diskothek „Lovers’ Lane“ in der Mönchengladbacher Altstadt. Seine Frau Iris habe Heynckes damals gesagt: „Jupp, hast du diese Bilder gesehen, wir müssen sie kaufen.“ Heynckes hielt die Geldbörse seinerzeit geschlossen und befand gestern, dass er auch seinerzeit besser auf „meine Iris gehört hätte“. Denn jetzt seien Macks Bilder unbezahlbar. Aber Geld, das wurde gestern klar, ist das geringste Problem des durchaus wertvoll beschenkten Jupp Heynckes.