Was Heynckes über ein erneutes Bayern-Engagement denkt
Wir sprachen mit dem Fifa-Welttrainer von 2013. Geht Peter Hermann von Fortuna Düsseldorf mit Heynckes?
Düsseldorf/Schwalmtal. Seit das Thema Fahrt aufgenommen hat, ist es nicht mehr aufzuhalten. Wahrscheinlich auch für Jupp Heynckes, 72, Fußball-Rentner aus Schwalmtal nicht. Der FC Bayern München will ihn, es wäre seine vierte Amtszeit beim deutschen Fußball-Rekordmeister. Und eigentlich ist die Entscheidung schon so gut wie gefallen. Wie sollte er jetzt noch zurückkehren? Die Dinge nehmen ihren Lauf.
Am Donnerstagnachmittag, wankt Heynckes noch. Er grübelt, zerbricht sich den Kopf, diskutiert mit seiner Ehefrau Iris. Seit Anfang der Woche ist alles anders, ist die heile Welt des Welttrainers von 2013, als er deutscher Meister, deutscher Pokalsieger und Champions-League-Sieger geworden war und danach abtrat, durcheinander geraten. Privatier ist er gewesen. Vier Jahre lang. Eine Rückkehr? Unvorstellbar, das hat er oft gesagt. Er fühle sich wohl. Ab und an hier eine Einladung, dort eine Gala oder ein Spiel. Aber nicht mehr so oft. Und jetzt?
Seitdem das FC Bayern-Triumvirat in die grüne Idylle des kleinen Örtchens Fischeln/Schwalmtal unweit des Borussia-Parks in Mönchengladbachs eingebrochen ist, wie der 72-Jährige uns das erzählt hat. Innerhalb von ein paar Stunden standen die Drei vor dem imposanten Eingangstor des umgebauten Bauernhofs, der „Casa de los Gatos“, dem Haus der Katzen, das Heynckes seit rund sechs Jahren sein eigen nennt.
Sie klingelten. Der Präsident, der Vorstandsvorsitzende und der Sportdirektor. „Ja, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic waren bei mir zu Hause“, erzählt Heynckes. Die Drei kamen schnell zur Sache. „Sie haben mich gefragt, ob ich das Amt des Cheftrainers bis zum Sommer 2018 übernehmen kann.“
Wird er zusagen und dem Flaggschiff des deutschen Fußballs aus seiner schwersten Krise seit einigen Jahren helfen? Und wird er in Kauf nehmen, gewisse Ziele womöglich zu verpassen? „Ich muss das alles genau prüfen, analysieren. Sportlich, das Private. Mein ganzer Rhythmus würde sich wieder verändern. Das Leben hier mit meiner Frau und den ganzen Tieren. Wie soll das gehen?“, sagt Heynckes am Nachmittag. Und: „Die Entscheidung ist nicht einfach.“
Wie war das doch einst zu Ende gegangen 2013, vor vier Jahren? Nach dem letzten Arbeitstag auf der Bundesliga-Bühne bei Borussia Mönchengladbach, als er im Presseraum der Borussia noch Tränen vergossen hatte, ging es nicht wie gewöhnlich auf direktem Weg zurück nach München. Heynckes lud seine Mannschaft auf seinen umgebauten Bauernhof ein, beim Sauerbraten-Abendessen ließen die Bayern den Abend gemütlich ausklingen. Der Verein und Jerome Boateng twitterten Fotos der Mannschaft bei Heynckes zu Hause.
Ein letzter ruhiger Bundesliga-Abschluss, ehe die heiße Vorbereitungsphase auf das große Champions-League-Finale in Wembley begann: Heynckes und die Bayern besiegten auch Borussia Dortmund, er gewann alle Titel, es war ein überragender, phänomenaler Abschluss. Ein Traum. Und jetzt steht alles auf dem Prüfstand. Muss man mit 72 riskieren, nun doch noch einmal anders in erinnerung zu bleiben? Oder kann das alles wieder funktionieren? Wie auf Wiedervorlage.
Der Job wäre befristet. Bis zum Sommer 2018. Präsident Uli Hoeneß und Vorstand Karl-Heinz Rummenigge wollen sich die nötige Zeit verschaffen, die Nachfolge des vor einer Woche gefeuerten Carlo Ancelotti in Ruhe zu regeln. Heynckes soll helfen, muss jetzt helfen. Ein Freundschaftsdienst. Wieder einmal.
Noch vor dem Wochenende könnte der Überraschungsdeal fix gemacht werden. Eine Reaktivierung des Routiniers vom Niederrhein soll für die Bayern um Heynckes-Freund Hoeneß, der als Präsident und Aufsichtsratschef wieder auffallend intensiv in das Tagesgeschäft eingreift, viele Vorteile haben: In den kommenden Monaten könnten im schnelllebigen Fußballgeschäft auch wieder einige namhafte Trainer auf den Mark kommen. Thomas Tuchel scheint erwartungsgemäß nicht Hoeneß’ erste Wahl zu sein, bei Nagelsmann ist man sich offenbar nicht sicher, ob der Youngster der Trainergilde nicht eben doch zu jung ist. Absprachen soll es nicht geben. Vielleicht passiert in den kommenden Monaten auch noch etwas: auch von Jürgen Klopp liest man, der in Liverpool derzeit eine kleine Talsohle durchläuft. Oder von Atletico Madrids Diego Simeone.
Abwarten. Jetzt erst einmal Heynckes. Und: Absprachen, was danach passiert, gebe es ohnehin nicht. Noch heute spekuliert man darüber, ob Heynckes damals, 2013, nicht lieber weitergemacht hätte. Aber dann, das hat Uli Hoeneß vor einem halben Jahr in Mönchengladbach erzählt, als er eine Rede auf den Ehrenbürger Heynckes hielt, hätten sie Pep Guardiola bekommen können. Und entschieden sich für die Zukunft mit dem feurigen Spanier — und gegen den Freund Heynckes. Heynckes hat das stets als abgesprochene Aktion verkauft, Zweifel blieben immer. Der Trainer, der menschlich über jeden zweifel erhaben ist, ist auch ein bisschen eitel. wer wollte es ihm in jener Phase verdenken?
Der öffentlich heiß gehandelte Hoffenheimer Julian Nagelsmann muss keineswegs 2018 automatisch in München landen. Die Kraichgauer gaben sich „extrem entspannt“. Es gebe keinerlei Anfragen der Bayern, sagte ein Sprecher und verwies auf den bis 2021 Vertrag laufenden Vertrag von Nagelsmann. Zuletzt hatte dieser seine persönliche Vision als Chefcoach publik gemacht. „Der FC Bayern spielt in meinen Träumen schon eine etwas größere Rolle“, sagte er.
Andererseits wird Heynckes als Bayern-Kenner auch kurzfristig zugetraut, die verunsicherte und durch Missstimmung geschwächte Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. In der Bundesliga hat der Titelverteidiger fünf Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Dortmund. In der Champions League setzte es ein 0:3 bei Paris Saint-Germain. Nach der Schlappe musste der Trainer Carlo Ancelotti gehen, auch weil sich etliche Spieler wie die erfahrenen Arjen Robben und Franck Ribéry bei den Bossen massiv beschwert haben sollen. Mit Heynckes können sie alle. konnten sie alle. Ist das jetzt wiederholbar?
Auch Weltmeister Thomas Müller und Manuel Neuer kennt er noch. Jérome Boateng war von Heynckes wie gewünscht in die Innenverteidigung versetzt worden. „Aus dem wird mal ein Weltstar“, soll er vor Jahren gesagt haben, als die Bayern Boateng wieder verkaufen wollten. Den Chilenen Arturo Vidal hatte der Coach, der auch Toni Kroos einst in Leverkusen in die Spur brachte und noch heute ein glänzendes Verhältnis zu ihm hat, zuvor lange in Leverkusen trainiert.
„Es ist eine absolute Top-Lösung. Er hat die Akzeptanz, er kennt das Umfeld, den Verein, die Stars“, lobte der frühere Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld. Dem Schweizer Boulevard-Blatt „Blick“ sagte er, dass er für die Rettungsmission nicht kontaktiert worden sei, denn „Uli Hoeneß weiß ganz genau, dass ich nicht mehr will“.
Eine Wahl pro Heynckes ist als Signal in Richtung Altbewährtem zu deuten. Zuletzt hatten die Bayern auch ihren langgedienten „Tiger“ Hermann Gerland (63) zum Chef im neuen Nachwuchsleistungszentrum gemacht. Und sie wildern in Düsseldorf: Als Co-Trainer wollen die Münchner Heynckes’ langjährigen Assistenten Peter Hermann, der bis 2018 vertraglich an Fortuna gebunden ist und derzeit mit Cheftrainer Friedhelm Funkel Tabellenerster ist. Die Neigung der Düsseldorfer, Hermann gehen zu lassen, ist nicht sonderlich groß. Nicht jetzt, wo sich die Arbeit von Funkel (63) und Hermann (66) auszuzahlen beginnt. Oder geht da doch was? Angeblich wird derzeit darüber verhandelt, ob die Düsseldorfer Hermann gegen eine Ablösesumme ziehen lassen wollen.