„The Get Down“: Baz Luhrmanns Hip-Hop-Serie

New York (dpa) - Der Grandmaster kann es noch. Hochkonzentriert steht der 58-Jährige am DJ-Pult und fährt mit den Fingern über zwei Schallplatten.

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„Grandmaster Flash“ steht auf seiner schwarzen Kappe und auf dem schwarzen T-Shirt, das am Bauch ein wenig spannt. Dazu trägt er eine weiße Hose, schwarz-weiße Schuhe, goldene „G“-Stecker in den Ohren und glitzernde kleine Plattenspieler an einer Kette um den Hals und als Uhr am rechten Handgelenk. Vor mehr als 40 Jahren erfand Grandmaster Flash gemeinsam mit einigen anderen Jugendlichen im New Yorker Stadtviertel South Bronx den Hip Hop - inzwischen ist er längst zu seiner eigenen Marke geworden.

„Es gab da so einen winzigkleinen Ort namens South Bronx und ohne es zu bemerken, haben wir dort in den 70er Jahren etwas geschaffen, das global erfolgreich wurde“, erinnert sich der Musiker, während er an dem DJ-Pult auf einem Serien-Set im New Yorker Stadtteil Queens weiter Platten auflegt. „Hip Hop heute ist wie ein Kuchen, den alle gerne essen. Aber niemand fragt nach den Zutaten, niemand will mit dem Bäcker sprechen. Dabei kann ich alles über die Zutaten erzählen.“

Eine neue Netflix-Serie von Star-Regisseur Baz Luhrmann („William Shakespeares Romeo & Julia“, „Moulin Rouge“, „Der große Gatsby“) gibt Grandmaster Flash und seinen Kollegen und Konkurrenten von damals nun den Platz, alles über ihr Hip Hop-Rezept zu verraten. „The Get Down“, deren erste sechs Folgen ab dem 12. August weltweit auf der Streaming-Plattform Netflix zu sehen sein sollen, ist zwar keine Dokumentarserie, aber basiert auf den Ereignissen der damaligen Zeit. Der zweite Teil mit weiteren sechs Folgen ist für 2017 angekündigt.

Er habe das Ganze so authentisch wie möglich aufziehen wollen, sagt der Australier Luhrmann, der seit Jahren in New York lebt. Grandmaster Flash und der Rapper Nas sind als Produzenten an Bord, als Berater zudem unter anderem Kurtis Blow, DJ Kool Herc und Afrika Bambaataa. Sie alle können sich noch gut an die 70er Jahre in der South Bronx erinnern, als DJs erstmals nur die Instrumentalteile von Songs auflegten und ihre Freunde dazu rappten.

Vor der Kamera steht unter anderem Will Smith' Sohn Jaden, der die Geschichte des Hip Hop und die dazugehörigen Protagonisten auch aus dem heimischen Wohnzimmer kennt. „Mein Vater hat mir viel darüber erzählt, wie es war auf Tour mit Grandmaster Flash zum Beispiel, und wie revolutionär die ganze Bewegung in der South Bronx war“, sagt Jaden Smith. „Er kennt die ja alle und hängt mit denen rum. Er hat auch die erste Folge der Serie schon gesehen und war sehr beeindruckt.“

Die Serie spielt in den Jahren 1977 bis 1979, als die Welt noch zu Disco-Musik tanzt, aber in der South Bronx schon etwas Neues brodelt: Hip Hop. Allerdings heißt der Musikstil damals noch nicht so, sondern unter anderem „The Get Down“. Wie immer bei Luhrmann ist das Ganze ein Fest für Augen und Ohren mit bunten Kostümen, Tanz und viel Musik. „Wenn man damals in Midtown Manhattan war und in die glitzernden Discos gegangen ist, hätte man nie gewusst, dass es da noch etwas anderes gab“, sagt Produzent und Hip Hop-Historiker Nelson George. „Aber in den anderen Stadtviertel und in Harlem wuchs etwas - durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Kassetten und Straßenpartys. Der Kontrast zwischen diesen beiden Musikvisionen treibt die Geschichte voran.“

Die meisten Darsteller sind geboren, als der Hip Hop schon das war, was er heute ist: Allgegenwärtiges Musik-Imperium mit Superstars wie Jay-Z und Kanye West. Für die Serie mussten sie sich zurückversetzen in eine Welt ohne Internet und Handy und in ein bankrottes New York mit hoher Kriminalitätsrate.

„Ich bin in einem isolierten Städtchen in Australien aufgewachsen und habe New York aus der Ferne als unglaubliche kreative Metropole gesehen, die Kunst auf hohem Niveau produziert. Aber die Stadt war auch gefährlich und kaputt 1977. Deswegen habe ich mich gefragt: Wie kam diese grundlegende Kreativität aus diesem Ort und dieser Jugend?“, sagt Regisseur Luhrmann. Berater wie Nas halfen bei der Antwort. „Ich bin in New York geboren und aufgewachsen. Das New York der 70er war so anders als heute, dass es fast wie ein anderer Planet scheint. Damals ist eine Musikform geboren worden, die die Welt verändert hat. Graffiti, wilde Straßen, der Rap, das Scratchen, alles hat da angefangen.“

Wäre das so noch einmal möglich im New York von heute? „Das glaube ich nicht“, sagt Hip Hop-Historiker George. „Es gehörte damals immer auch immer eine gewisse Ungeschliffenheit dazu. Ich hatte zum Beispiel auf den Hip Hop-Partys jahrelang Angst, dass gleich etwas passieren würde. Als das nicht mehr so war, wusste ich, dass der Hip Hop im Mainstream angekommen ist. In New York ist heute auch viel zu viel Geld, hier wäre so etwas wohl nicht mehr möglich - aber vielleicht in Berlin?“