TV-Gentleman Michael Degen wird 80
Hamburg (dpa) - Es passt zu Michael Degen, dass er keinen Wirbel um seinen 80. möchte. Der Schauspieler, dessen Gesicht TV-Zuschauern wie Theatergängern seit Jahrzehnten vertraut ist, kann sich vor Interviewanfragen rund um seinen Geburtstag am Dienstag (31.
Januar) kaum retten.
Doch der Charakterdarsteller, der sich selbst zurückhaltend und schüchtern nennt, will den Trubel nicht. Älter zu werden und gesund zu bleiben betrachte er als Geschenk, nicht als Verdienst, lässt er bescheiden mitteilen. Und wahrlich gibt es bei dem bei Hamburg lebenden Mimen selbst mit 80 noch immer genug aktuelle Projekte - er muss sich nicht in Erinnerung bringen.
Wenige Tage vor und nach seinem Geburtstag steht Degen in Berlin auf der Bühne des Schlosspark Theaters. In Dieter Hallervordens Haus spielt er im Stück „Besuch bei Mr. Green“ die Titelrolle. In der Hauptstadt ist er auch mit dem Berliner Ensemble für ein weiteres Projekt im Gespräch. Der Bühne galt schon immer seine wahre Liebe. „Ohne Theater kann ich nicht sein“, betonte er in der Vergangenheit immer wieder. Vor allem die Darstellung zwiespältiger Charaktere schätzt Degen, der im Herbst im Wiener Theater an der Josefstadt in der Uraufführung eines Stücks von Daniel Kehlmann die Titelrolle übernehmen will.
Kehlmann („Die Vermessung der Welt“, „Ruhm“) und Degen verbindet eine große Sympathie. Als der 37-jährige Bestsellerautor bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele 2009 das Regietheater geißelte, fand Degen das großartig. „Dass der Junge diesen Mut gehabt hat“, lobte er in der „Süddeutschen Zeitung“. Kehlmann seinerseits erinnert sich an Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“: „Die Aufführung im Theater in der Josefstadt 1988 mit Michael Degen war eines meiner großen frühen Theatererlebnisse“, sagte er mal im „Standard“. „Neulich habe ich mir die DVD gekauft, um zu sehen, ob sie denn wirklich so gut war, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie war es.“
Der als präzise und ausdrucksstark im Spiel gewürdigte und mit Preisen bedachte Mime war einst von Bert Brecht ans Berliner Ensemble geholt worden und spielte später unter namhaften Regisseuren wie Ingmar Bergman, Peter Zadek oder George Tabori. „Was mich immer wieder reizen würde, ist Shakespeare. Bei ihm tritt in jeder kleinsten Figur so markant und plastisch der Mensch hervor. Er ist immer wieder Vorbild“, schwärmte Degen mal und betonte: „Wenn ein Text langweilt, ist die Arbeit eine Tortur.“
Dass sein prägnantes Gesicht vielen Menschen vertraut ist, liegt aber vor allem an seinen Rollen in zahlreichen Fernsehfilmen. Er war der perfekte Gentleman in Serien wie „Derrick“, „Der Alte“, „Tatort“ oder „Diese Drombuschs“. Doch gerade im TV gab es einige Rollen, die er - wie er vor einiger Zeit mal sagte - „unter keinen Umständen“ mehr annehmen würde. „Die habe ich nur gespielt, weil ich das Geld brauchte“, betonte der vierfache Vater, der in dritter Ehe mit der Journalistin Susanne Sturm verheiratet ist und dessen Tochter Elisabeth Degen ebenfalls in der Schauspielerei ihr Zuhause gefunden hat. „Wenn ich meinen Spaß daran habe, dann mag ich auch die Arbeit fürs Fernsehen. Nur langweilen darf es mich nicht, denn das ist furchtbar.“
Vor der Kamera will Degen auch in diesem Jahr wieder stehen - für neue Folgen der Donna-Leon-Reihe, in denen er in Venedig als Vorgesetzter des Commissario Brunetti zu sehen ist. Längst gehört auch die Schriftstellerei zu ihm, seit er 1999 seine Biografie „Nicht alle waren Mörder“ veröffentlicht hat. In dem von der Kritik hochgelobten Buch, das Jo Baier später verfilmte, schildert Degen, der 1943 in letzter Sekunde vor den Nazis fliehen konnte, seine Kindheit als jüdischer Junge. Zwei Jahre lang musste er sich mit seiner Mutter im Berliner Untergrund verstecken, lebte in ständiger Todesangst davor, entdeckt zu werden. Das Schreiben darüber war ihm schwer gefallen, hatte Wunden aus der Kindheit wieder aufgerissen.
Der gebürtige Chemnitzer, dessen Vater im KZ Sachsenhausen so brutal gefoltert wurde, dass er wenig später starb, hat das Thema Holocaust nie gescheut. Degen spielte einen jüdischen Lageraufseher in Zadeks „Ghetto“ und übernahm die Hauptrolle in Taboris Albtraumspiel „Die Kannibalen“, in dem jüdische KZ-Häftlinge aus Hunger und Verzweiflung einen Mithäftling erschlagen und essen wollen. Im TV-Spiel „Geheime Reichssache“ verkörperte er gar Hitler. Vor wenigen Wochen drehte er mit Margarethe von Trotta „Hannah Arendt“, ein Film, in dem es um Arendts Berichterstattung über den Prozess an Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann geht.
In seinem 2007 erschienenen Buch „Mein heiliges Land“ setzte Degen seine Biografie fort und erzählte von seiner Auswanderung nach Israel. Er schrieb Romane wie „Blondi“, „Der Steuerhinterzieher“ und zuletzt „Familienbande“ über Thomas Manns Sohn Michael. Und er plant ein weiteres Buch. Das Thema: noch geheim. Degen liebt eben die Zurückhaltung.