„Wetten, dass..?“ soll weiter gehen
Mainz/Düsseldorf (dpa) - Die erfolgreichste Fernsehshow Europas steht in der Kritik: Nach dem schweren Unfall bei „Wetten, dass..?“ fordern Politiker unterschiedlicher Couleur Konsequenzen.
Doch anscheinend stehen sie damit allein: Die überwiegende Mehrzahl der Zuschauer wie auch Medienexperten stehen zu der ZDF-Show, halten einseitige Schuldzuweisungen für falsch. Das ZDF bewahrt indes die Ruhe: Konkrete Konsequenzen für den Show-Dauerbrenner würden erst beschlossen, wenn Klarheit über den Gesundheitszustand des verletzten Wettkandidaten besteht. Doch eins steht fest: „"Wetten, dass..?" wird sicherlich weitergehen“, sagte ZDF-Programmchef Thomas Bellut.
Während der Live-Übertragung am Samstagabend hatte sich der 23- jährige Kandidat Samuel Koch schwer verletzt. Er war mit Federbeinen über fahrende Autos gesprungen und dabei schwer gestürzt. Die Sendung wurde abgebrochen. Kochs Zustand war am Montag weiter kritisch. Er lag im künstlichen Koma. Er hatte der Klinik zufolge eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule erlitten und zeigte Lähmungserscheinungen.
Der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), kritisiert in der Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“ (Dienstag): „Hier wurde eine Grenze überschritten. Da ist zu viel Auf-die-Quoten- Schielen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, zu viel Sensationsgier.“ Der medienpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Martin Dörmann, forderte ein neues Konzept: „Bestimmte Risikowetten sollten in Zukunft nicht mehr stattfinden“, sagte er der Zeitung „Ruhr Nachrichten“ vom Montag. Und der Grünen- Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele meinte wiederum in der „B.Z.“: „Ich frage mich, ob eine derart waghalsige Aktion dort im Saal tatsächlich live gefilmt werden muss. Das ist schlicht unglaublich und gehört ganz sicher nicht zu den Aufgaben des öffentlich- rechtlichen Fernsehens.“
Doch diese Einschätzungen gehen zu einem Großteil am Empfinden der Zuschauer vorbei: 77 Prozent wollen auch künftig „Wetten, dass..?“ im TV sehen, 65 Prozent geben dem ZDF keine Mitschuld an dem Unfall und 63 Prozent glauben nicht, dass Quotendruck damit in Zusammenhang steht. Dies ergab eine repräsentative Studie des Instituts YouGov. Jedoch wünschen sich 59 Prozent der 961 Befragten, dass künftig auf riskante Wetten verzichtet wird; 33 Prozent halten das für unnötig.
Der Leiter des Grimme-Instituts, Uwe Kammann, hält den Vorfall für einen falschen Anlass, um über die Quote zu diskutieren. Der Unfall sei zwar tragisch, aber ein Einzelfall, sagte er dem Sender MDR Info. Andere Formate bereiteten ihm mehr Sorge, beispielsweise Sendungen, die auf Sozial-Voyeurismus setzten - „auf eine inszenierte Realität, die Menschen bloßstellen kann, die sich selbst gar nicht wehren können, weil sie gar nicht ahnen, in welchen Medienzusammenhang sie gestellt werden“. Spielshows bedienten dieses Element nicht.
Auch das ZDF sieht sich gegen Kritik gewappnet. „Es ist klar - so tragisch es ist - wir haben uns nichts vorzuwerfen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren gegeben“, sagte Sprecher Peter Gruhne. Dennoch wird über Konsequenzen diskutiert. „Wir werden noch einmal den Sicherheitsstandard erhöhen, obwohl wir immer der Auffassung waren, der ist kaum zu erhöhen“, sagte ZDF-Programmchef Bellut dem Sender NDR 1 Niedersachsen. „Bedrückend ist natürlich, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit geben kann. Das gibt es auch in anderen Shows nicht (...) Wir müssen gucken, wie verändern wir die Regeln bei den Wettkandidaten so, dass sich so etwas nicht wiederholt.“ Das Modertorenteam Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker stehe jedoch außer Frage, erklärte Gruhne.
Viele anderen Fragen sind aber noch offen: Wird die nächste Show, die im Februar in Halle (Sachsen-Anhalt) geplant ist, so stattfinden? Werden die Gäste vom Samstag zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingeladen? All das werde zu gegebener Zeit entschieden, sagte Gruhne. Und bekommen die Gäste wie Take That und Justin Bieber ihre vollen Gagen für den Abend? Das sei „Vertragssache“, antwortete der Sprecher, und damit geheim.
Zur Frage, ob das ZDF unter Quotendruck schon mal fragwürdige Wetten angenommen habe, betonte der Sprecher: „In der gesamten Geschichte ist noch nie ein grenzwertiges Wettangebot angenommen worden.“ Nach Gruhnes Angaben gingen zuletzt nach jeder Sendung jeweils rund 1000 neue Wettangebote ein - „nur ein kleiner Prozentsatz bleibt aber am Ende übrig“. Grundsätzlich sei auszuschließen, dass Wetten nur genommen werden, weil sie potenzielle Quotenbringer sind, sagte Gruhne. Ohnehin: „Die spektakulären Wetten sind nicht zwingend Quotenbringer. Bei den Zuschauern kommt an, was sie selbst nachmachen können.“