ZDF-Dreiteiler: Wie die Mauer ein Dorf teilte

Besno (dpa) - Meter für Meter, Schritt für Schritt rückt der Bretterverschlag vor. Er trennt das kleine Dorf in zwei Teile. Stacheldrahtverhaue markieren die Grenze.

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Menschen in Uniform kontrollieren am Schlagbaum auf einer kleinen Brücke. Wer schnell mal auf ein Bier in die Dorfkneipe will, muss schon Umwege in Kauf nehmen. Ein beklemmendes Gefühl macht sich breit.

In der tschechischen 100-Seelen-Gemeinde Besno wird die Geschichte der deutschen Teilung wieder lebendig. Das ZDF lässt hier den Dreiteiler „Tannbach“ verfilmen, in dem ein Dorf plötzlich zwischen der DDR und der Bundesrepublik geteilt ist. Ganz Besno ist zur Filmkulisse geworden. Das Bächlein, das an einer verfallenden Barockkirche vorbeifließt, wird vor der Kamera zum Bollwerk zwischen den Systemen. Die tschechischen Dorfbewohner nehmen es gelassen. „Wenigstens passiert mal was - hier ist sonst tote Hose“, meint eine Frau.

In einem Biergarten auf der „Westseite“ des Dorfes wartet Heiner Lauterbach auf das Zeichen des Regisseurs. Nebenbei lernt er noch ein paar Worte Tschechisch: „Pumpa“, sagt die Filmcrew, als er auf eine alte Wasserpumpe zeigt. „Tischa?“ fragt Lauterbach, zeigt dabei auf einen Biertisch und erntet Gelächter. Das lockert auf, denn die bevorstehende Filmszene ist komplex. Lauterbach spielt Georg von Striesow, der mit einem dunklen Geheimnis aus seiner Vergangenheit konfrontiert wird.

„Dieser von Striesow ist kein reiner Gutmensch, sondern hat auch seine tiefen und schattigen Seiten“, sagt Lauterbach. Vielschichtige Charaktere wie diesen zu spielen, das sei immer interessant. Als Gutsbesitzer wird dieser von Striesow im Osten enteignet und baut sich im Westteil eine neue Existenz auf. „Er ist hin- und hergerissen, weil seine Tochter drübengeblieben ist und sich einen Kommunisten geangelt hat“, erklärt Lauterbach. Die Figuren seien für den Zuschauer wie ein Anker, an denen das Zeitgeschehen erkennbar wird, meint der Schauspieler.

Lauterbach hofft, dass der Dreiteiler auch junge Menschen anspricht. Er könne ihnen vor Augen führen, was der Zweite Weltkrieg und als Folge die Teilung für Millionen privater Schicksale bedeutet hat. Krieg sei das „bescheuertste und dämlichste, was es gibt“, meint Lauterbach. Er selbst habe als Kind in Köln noch auf Trümmergrundstücken gespielt. „Ich bin ein bisschen zumindest mit den Nachwehen des Krieges großgeworden.“

Wenn er nun in der Kulisse stehe und auf den Grenzzaun blicke, denke er sich: „Das kann doch nicht wahr sein, was hier passiert.“ Der Schauspieler kann sich noch gut erinnern, wie er am 9. November 1989 den Mauerfall erlebte. „Da war ich in meiner Schwabinger Wohnung vor dem Fernseher und habe die Tagesschau gesehen“, sagt der 61-Jährige. „Da hatte ich einen schweren Kloß im Hals und Tränen in den Augen.“ Er sei sehr gerührt gewesen.

Es gibt ein reales Vorbild für das geteilte Dorf: Die Gemeinde Mödlareuth zwischen Bayern und Thüringen, von den Amerikanern „Little Berlin“ genannt, durchzog tatsächlich eine schier unüberwindbare Drei-Meter-Mauer. Die Demarkationslinie kappte Familienbeziehungen und trennte sogar zwei Brüder für Jahrzehnte. George Bush senior rief dort als Vizepräsident in den 1980ern: „Ich bin ein Mödlareuther!“, wie Kennedy sich einst als Berliner bezeichnet hatte. Fast 60 000 Besucher jährlich schauen sich heute Sperranlagen und Wachturm in einem Museum an.

Im tschechischen Besno haben die Bühnenbildner ganze Arbeit geleistet. In der Hauptstraße ist der alte „Dorfkonsum“, quasi der Tante-Emma-Laden des Sozialismus, wiederauferstanden. Patinierte Tore überdecken moderne Garageneinfahrten, der Dorfteich wurde wieder mit Wasser und Fischen befüllt. Für den filmischen Einmarsch der US-Amerikaner gegen Kriegsende scheute das Team keine Mühe und ratterte mit einem originalen Sherman-Panzer durch die Dorfstraße.

Das ZDF sieht sich in der Verantwortung, Geschichte in fiktionaler Form seinen Zuschauern nahezubringen. „Ich habe selten erlebt, dass ein Stoff sofort bei allen Entscheidern, ob männlich oder weiblich, so viel ausgelöst hat“, betont die zuständige Redaktionsleiterin Caroline von Senden. Fast jeder könne eine Verbindung ziehen zu Erlebnissen in seiner Familie, zum Leben von Eltern und Großeltern.

Dabei wird es auch darum gehen, wie man in beiden deutschen Staaten nach 1945 mit der Nazi-Vergangenheit umgegangen ist. Die Ausstrahlung ist für Anfang Januar 2015 geplant. Für zu schwere Fernsehkost hält Caroline von Senden das nicht: „Die Leute wissen es sehr zu schätzen, nach Weihnachten und Silvester einen großen Filmroman zu sehen“, betont die ZDF-Redakteurin.