„Gewalteskalation ist unerträglich“

Aachens Polizeichef Dirk Weinspach sorgt sich um „Leib und Leben“ seiner Kollegen, die in Hambach arbeiten.

„Gewalteskalation ist unerträglich“
Foto: dpa

Aachen. Die Lage im Hambacher Wald am dortigen Tagebau hat sich nach Einschätzung des Aachener Polizeichefs Dirk Weinspach in kürzester Zeit massiv verändert: Seit gut einer Woche komme es immer wieder zur Konfrontation zwischen Polizei und Besetzerszene.

Herr Weinspach, warum geht die Polizei bei ihren Einsätzen mit einem so großen Aufgebot in den Hambacher Wald?

Dirk Weinspach: Seit letzter Woche stellen wir eine massiv gesteigerte Bereitschaft zu Straftaten und Gewaltanwendung fest. Das hat dazu geführt, dass bei dem Versuch, eine kleine Barrikade beiseite zu räumen, eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen angegriffen wurde. Es wurde mit Steinen geworfen, es wurde mit Zwillen geschossen. Ein Kollege ist getroffen worden und zu Boden gegangen. Als die anderen ihn sichern wollten, ist man — so weit mir bislang bekannt — auf uns zugekommen und hat weiter geschossen. In dieser Situation mussten die Kollegen den Schusswaffengebrauch androhen, damit die Attacken aufhörten, und der Kollege ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Das ist eine Gewalteskalation, die ich ziemlich unerträglich finde.

Was bedeutet diese Eskalation für den anstehenden Einsatz bei möglichen Räumungen von Aktivisten-Camps oder für mögliche Rodungen?

Weinspach: Nachdem wir mit geringen Kräften nicht mehr ohne Gefahr für Leib und Leben der Kollegen in den Wald gehen können, ist jeder Einsatz ein großer — zwangsläufig. Innerhalb von wenigen Tagen ist ein Betreten des Waldes durch die Polizei nur noch mit massiven Kräften und entsprechend geschützt mit Helm und Körperschutz zu verantworten.

Hat sich die Szene im Wald verändert?

Weinspach: Wir gehen davon aus, dass sich die Besetzerszene stark gewandelt hat, beziehungsweise Gruppen dazugekommen sind, die vorher da nicht waren — also Gewalttäter aus ganz Europa, die von anderen Konfliktherden kommen, dem Unterstützeraufruf aus der Waldszene gefolgt sind und ein ganz anderes Gewaltpotenzial darstellen als die, die dort vor Wochen waren.

Wie viele Aktivisten gibt es im und am Hambacher Wald?

Weinspach: Bis vor wenigen Wochen haben wir gesagt, dass es um die 40 sind. Wir gehen jetzt davon aus, dass sich das mindestens verdrei- oder vervierfacht hat.

Kann eine Situation entstehen, wo die Camps geräumt werden, etwa weil Gefahr in Verzug ist?

Weinspach: Das könnte passieren. Wir haben jetzt eine Situation, dass im Wald immer wieder Gasflaschen mit vermeintlichen Zündeinrichtungen mit Handys und Verkabelungen abgelegt werden, von denen wir nicht wissen, ob es Attrappen sind oder Brandbomben. Wenn die entschärft werden, muss in einem Sicherheitsbereich evakuiert werden. Aus Gründen der Gefahrenabwehr könnten wir zu Räumungsszenarien kommen. lnw