Hambacher Forst: Polizeichef spricht von Gewalteskalation

Aachen. Die Lage im Hambacher Wald am dortigen Tagebau hat sich nach Einschätzung des Aachener Polizeichefs Dirk Weinspach in kürzester Zeit massiv verändert: Seit gut einer Woche komme es immer wieder zur Konfrontation zwischen Polizei und Besetzerszene.

Polizeipräsident Dirk Weinspach äußert sich auf einer Pressekoferenz.

Foto: Oliver Berg

Nach Angriffen, bei denen Polizisten verletzt wurden, gehe die Polizei nur noch mit einem massivem Aufgebot und Körperschutz in den Wald. Die Szene habe sich verändert.

Warum geht die Polizei bei ihren Einsätzen mit einem so großen Aufgebot in den Hambacher Wald?

Polizeichef Dirk Weinspach: Seit letzter Woche stellen wir eine massiv gesteigerte Bereitschaft zu Straftaten und Gewaltanwendung fest. Das hat dazu geführt, dass bei dem Versuch, eine kleine Barrikade beiseite zu räumen, eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen angegriffen wurde. Es wurde mit Steinen geworfen, es wurde mit Zwillen geschossen. Ein Kollege ist getroffen worden und zu Boden gegangen. Als die anderen ihn sichern wollten, ist man - so weit mir bislang bekannt - auf uns zugekommen und hat weiter geschossen. In dieser Situation mussten die Kollegen den Schusswaffengebrauch androhen, damit die Attacken aufhörten, und der Kollege ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Das ist eine Gewalteskalation, die ich ziemlich unerträglich finde. Es ist ein ganz anderes Agressions- und Gewaltpotenzial da und offenbar auch die Bereitschaft, massivste Straftaten zu begehen bis zur Gefährdung der Gesundheit und des Lebens von Menschen.

Was bedeutet diese Eskalation für den anstehenden Einsatz bei möglichen Räumungen von Aktivisten-Camps oder für mögliche Rodungen?

Weinspach: Nachdem wir mit geringen Kräften nicht mehr ohne Gefahr für Leib und Leben der Kollegen in den Wald gehen können, ist jeder Einsatz ein großer - zwangsläufig. Innerhalb von wenigen Tagen ist ein Betreten des Waldes durch die Polizei nur noch mit massiven Kräften und entsprechend geschützt mit Helm und Körperschutz zu verantworten.

Hat sich die Szene im Wald verändert?

Weinspach: Wir gehen davon aus, dass sich die Besetzerszene stark gewandelt hat, beziehungsweise Gruppen dazugekommen sind, die vorher da nicht waren - also Gewalttäter aus ganz Europa, die von anderen Konfliktherden in Europa kommen und dem Unterstützeraufruf aus der Waldszene gefolgt sind und ein ganz anderes Gewaltpotenzial darstellen als diejenigen, die noch vor Wochen im Wald waren.

Wie viele Aktivisten gibt es im und am Hambacher Wald?

Weinspach: Bis vor wenigen Wochen haben wir gesagt das es um die 40 sind. Wir gehen jetzt davon aus, dass sich das mindestens verdrei- oder vervierfacht hat.

Kann eine Situation entstehen, wo die Camps geräumt werden, etwa weil Gefahr in Verzug ist?

Weinspach: Das könnte passieren. Wir haben jetzt eine Situation, dass im Wald immer wieder Gasflaschen mit vermeintlichen Zündeinrichtungen mit Handys und Verkabelungen abgelegt werden - also unbekannte Spreng- und Brandvorrichtungen - von denen wir nicht wissen, ob es Attrappen sind oder gefährliche Brandbomben. Wenn die entschärft werden, muss in einem Sicherheitsbereich evakuiert werden. Aus Gründen der Gefahrenabwehr könnten wir zu Räumungsszenarien kommen.

Gibt es einen Nachweis, dass die Attrappen aus der Szene kommen?

Weinspach: Der Nachweis ist natürlich nicht zu führen. Wenn wir den führen könnten, dann hätten wir die Täter. Ich weiß, dass im Wald Spekulationen darüber angeheizt werden, ob es Provokateure gibt, die im Interesse von RWE solche Dinge ablegen. Die Wahrscheinlichkeit ist ausgesprochen gering. Im Wald sind so viele Aktivisten, dass die sehr genau mitbekommen, was da passiert. Wenn dort ihnen unbekannte Personen was ablegen würden, dann wäre es ein Leichtes, das sofort der Polizei zu melden. Macht man aber nicht. Da versucht man, den Verdacht von sich wegzulenken. Aber tatsächlich spricht alles dafür, dass das aus der Unterstützerszene kommt. Man will mit diesen Attrappen offensichtlich Effekte erzielen, Kräfte in Einsätze binden, um diese Einsätze im Wald möglichst teuer zu machen und zu erschweren. dpa