Goethe-Medaille an le Carré, Michnik und Mnouchkine
Weimar (dpa) - Am Ende fand John le Carré die treffenden Worte. „Die europäische Maschine der Freiheit braucht einen guten polnischen Mechaniker“, zog der Altmeister des Spionageromans einen versöhnlichen Schlussstrich unter seine Diskussion mit dem polnischen Publizisten und einstigen Regimekritiker Adam Michnik.
Es war ein symbolisches Zusammentreffen: Die beiden diesjährigen Preisträger der Goethe-Medaille demonstrierten in Weimar, wie unterschiedlich die europäische Einheit in Ost und West wahrgenommen wird.
Das Goethe-Institut wollte zu seinem 60. Geburtstag ein klares Zeichnen für eine gemeinsame kulturelle Zukunft in Europa setzen, sagte Präsident Klaus-Dieter Lehmann. „Wir brauchen dieses Wir-Gefühl mehr denn je für ein Europa, das mehr ist als ein Euroland, das ein gemeinsamer europäischer Kulturraum ist“, betonte er. Deshalb verlieh das Institut die Medaille in diesem Jahr drei prominenten Intellektuellen, die über Jahrzehnte eine gemeinsame europäische Kultur mitgeprägt haben.
Neben le Carré und Michnik fiel die Wahl auf die französische Theaterkünstlerin Ariane Mnouchkine, die bei der Verleihung am Sonntag in Weimar fehlte. Für sie nahm stellvertretend die französische Schauspielerin Shaghayegh Beheshti die Auszeichnung entgegen.
Mit dem großen Thema Europa kamen auch die akuten Fragen der europäischen Integration nach Weimar. Was ist der Kern eines gemeinsamen Europa? Wo fängt es an und wo hört es auf? Wie gefährlich ist die aktuelle Euro-Krise für die europäische Eintracht?
John le Carré und Michnik waren genau die Richtigen, um Euphorie und Skepsis in der europäischen Debatte eine Stimme zu geben. In einer Diskussion jenseits der polierten Festreden zeigte sich der 64-jährige Michnik, der als Regimekritiker im kommunistischen Polen im Gefängnis saß, als unerschütterlicher Optimist. „Das gemeinsame Europa ist eine Realität, die für alle besteht“, erklärte er. Man dürfe nicht vergessen, was für eine unglaubliche Errungenschaft für die Menschen im einstigen Ostblock allein schon die Reise- und Pressefreiheit seien.
Der 79-jährige le Carré war deutlich vorsichtiger: „Ich glaube leidenschaftlich an den europäischen Traum, aber ich bin sehr skeptisch, was die Realität angeht.“ Das gemeinsame Europa sei immer noch sehr stark ein Projekt der Eliten, die europäischen Institutionen seien weit von den Bürgern entfernt, das Diktat der Wirtschaft überwiege. Über die Parlamente müsse die Politik wieder die Oberhand gewinnen: „Was wir brauchen, ist eine friedliche Revolution des Mittelstandes.“