Göttinger Organspendeskandal weitet sich aus

Göttingen/Regensburg (dpa) - Der Skandal um möglichen Betrug bei Organspenden an der Uniklinik Göttingen hat eine neue Dimension erreicht. Ein weiterer Arzt in leitender Funktion wurde vom Dienst freigestellt, wie die Klinik am Donnerstag mitteilte.

Der Verdacht, dass der Mann an Manipulationen bei Organtransplantationen beteiligt war oder selbst manipulierte, habe sich erhärtet. Der Arzt bestreite die Vorwürfe, sagte der Sprecher der Unimedizin, Stefan Weller. Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig bestätigte die Ermittlungen. Die Wohnung und der Arbeitsplatz des Mannes seien durchsucht worden.

Zugleich wurden am Donnerstag neue Vorwürfe gegen den Göttinger Oberarzt laut, der - wie vor einer Woche bekanntwurde - Krankendaten gefälscht haben soll, um die eigenen Patienten bei Spenderlebern zu bevorzugen.

Nach Angaben der Uniklinik in Regensburg soll er dort schon 2005 für Missstände bei Transplantationen gesorgt haben. Der 45-Jährige hatte vor seiner Zeit in Göttingen in Regensburg gearbeitet. Damals seien verbotenerweise Patienten aus Jordanien auf eine Warteliste für europäische Transplantationspatienten gesetzt worden, sagte die Sprecherin des Regensburger Klinikums, Cordula Heinrich.

Zudem sei eine Leber in Jordanien transplantiert worden. „Das hätte so nicht sein sollen“, betonte die Sprecherin, die einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigte. Die Missstände in Regensburg deckte 2006 die Bundesärztekammerkommission auf. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelte damals, stellte ihre Untersuchungen aber ein.

Von den Regensburger Vorfällen habe man bei der Einstellung des Oberarztes nichts gewusst, sagte Weller von der Uniklinik Göttingen. Man habe erst Anfang des Jahres davon erfahren und den Beschuldigten bei seiner Suspendierung im November 2011 daher nicht damit konfrontieren können. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen Bestechlichkeit. Insgesamt werden 23 Fälle aus den Jahren 2010 und 2011 untersucht. Zunächst war von 25 Fällen die Rede.

Der beschuldigte Arzt bestreitet die Vorwürfe zu seiner Zeit in Göttingen nach Angaben der Uniklinik. Über seinen Verteidiger war er für eine Stellungnahme zu den Vorgängen in Göttingen und Regensburg zunächst nicht zu erreichen.

Gegen den zweiten beschuldigten Mediziner aus Göttingen wird in denselben 23 Fällen wegen möglicher Bestechlichkeit ermittelt. Gegenüber der Staatsanwaltschaft habe er keine Angaben zu den Beschuldigungen gemacht, sagte Staatsanwältin Serena Stamer.

Die Ärzte stehen unter Verdacht, Patientendaten manipuliert zu haben, um ihre Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane nach oben zu schieben. Zu den Aufgaben des nun ebenfalls beschuldigten leitenden Arztes zählte unter anderem die Voruntersuchung von Patienten, die ein Spenderorgan bekommen sollten.

Es sei nicht auszuschließen, dass noch weitere Mitarbeiter in den möglichen Skandal verstrickt seien, sagte Staatsanwältin Stamer. Vonseiten der Uniklinik gebe es darauf keine Hinweise, sagte Sprecher Weller. Ausschließen könne man aber nichts.

„Es ist schlimm und bedrückend, was da passiert ist“, sagte die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott, im oberpfälzischen Neumarkt. Das Thema Organspende sollte jetzt aber nicht beiseitegeschoben werden. „Jeder sollte besonnen darüber nachdenken, dass die Bereitschaft zur Organspende vielen todkranken Menschen helfen kann, zu überleben.“ Derzeit warteten in Deutschland etwa 12 000 Menschen auf eine Spenderorgan.