Gorillas als Nachbarn: Wenn Menschen im Zoo leben

Berlin/München (dpa) - Wenn Ruben Gralki aus dem Fenster schaut, sieht er Antilopen und Giraffen. Schimpansen und Gorillas klettern eine Etage unter ihm durch ihre Gehege. Der Tierpfleger wohnt seit fünf Jahren mitten im Zoologischen Garten Berlin.

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„Von meiner Wohnung über dem Affenhaus brauche ich nur eine Minute zur Arbeit“, sagt der Affenpfleger. Gralki ist einer von 32 Zoo-Mitarbeitern, die in einer Dienstwohnung leben - oft in der Nähe der Tiere, für die sie zuständig sind.

Im Tierpark im Osten der Stadt wohnen laut Direktor Andreas Knieriem, der für beide Anlagen zuständig ist, weitere 17 Mitarbeiter und ihre Familien. Nicht nur Tierpfleger leben dort, sondern auch Techniker und Schlosser, die im Notfall schnell einspringen können. „Wir versuchen, das breit zu fächern und die Dienstwohnungen nach Wichtigkeit der Mitarbeiter zu verteilen“, sagt Knieriem.

Freunde und Familien beneiden die Mitarbeiter mitunter um ihre exotischen Wohnlagen: Wer kann schon von sich behaupten, im Vogel-, Antilopen- oder Dickhäuterhaus, neben Malaienbären oder in einem ehemaligen Tierkrankenhaus zu leben? Und das auch noch mitten in der Berliner Innenstadt im ältesten Zoo Deutschlands oder auf einem weitläufigen Parkgelände im Ostteil der Stadt. „Für viele Zoobesucher ist das Leben im Zoo wie der Himmel auf Erden“, sagt Knieriem, der mit seiner Familie über dem Aquarium am Rande des Zoos wohnt.

Doch die schöne Umgebung sei manchmal auch ein Fluch. „Wir müssen darauf achten, dass das Schöne auch schön bleibt. Probleme erleben wir immer hautnah“, so der Direktor, den der Zoo auch nachts nicht loslässt. „Wenn die Kraniche laut werden, frage ich mich, ob sie nur ihr Revier abstecken oder ob der Fuchs unterwegs ist“, so der Chef, den auch Jugendliche ärgern, die gern mal länger als erlaubt im Zoo bleiben oder Mütter, die tagsüber die Windeln ihrer Babys liegen lassen.

Für Ruben Gralki überwiegen die positive Aspekte. Als das kleine Orang-Utan-Baby Rieke nach ihrer Geburt vor etwa einem Jahr von ihrer Mutter verstoßen und eine Handaufzucht unvermeidbar wurde, war es selbstverständlich, dass er übernahm. Schließlich musste das Affenbaby rund um die Uhr wie ein Menschenbaby gefüttert und gepflegt werden - mit Fläschchen und Windeln. Mit seiner Freundin, die inzwischen mit ihm im Zoo lebt, betreute er die kleine Rieke wie ein eigenes Baby. „Diese Zeit war ein echtes Highlight“, erinnert sich der 37-Jährige.

Seine Miete sei auch etwas kostengünstiger als „draußen“, sagt Gralki. Dafür erwarte sein Arbeitgeber aber auch, dass er mehr Verantwortung übernehme. Das sei kein Problem. „Ich bin gern Tierpfleger und gern nah bei den Affen“. Etwas schwieriger seien schon die alltäglichen Dinge des Lebens: Einkäufe muss er an den Besuchern vorbei durch den Zoo tragen, und wenn er mal Möbel mit einem Auto transportieren muss, kann er das nur außerhalb der Öffnungszeiten tun. Gäste, die ihn besuchen können, ohne Eintritt zu zahlen, muss er am Eingang abholen - wenn sie den Kassierern noch nicht bekannt sind.

Laut Verband der Zoologischen Gärten gibt es viele Zoos, in denen Mitarbeiter wohnen, etwa in Duisburg, Nürnberg und Münster. Das Zusammenleben sei durchaus vorteilhaft: Eine Dienstwohnung trage zur Identifikation mit dem Arbeitgeber bei, und die Mitarbeiter seien schnell vor Ort.

Das kann auch die leitende Tierärztin Christine Gohl bestätigen, die seit fast sechs Jahren als eine von etwa 30 Mitarbeitern im Münchner Tierpark Hellabrunn lebt. „Beruflich ist es ein Riesenvorteil, schnell vor Ort zu sein“, sagt sie. Doch das Abschalten sei schwer. Selbst ein privater Spaziergang durch den Tierpark sei immer auch ein tierärztlicher Rundgang. „Es sind ja nicht irgendwelche, sondern „meine“ Tiere“, sagt die Ärztin, die die Tiere oft seit der Geburt kennt.

Zum Abschalten müsse man wirklich verreisen, sagt Ruben Gralki. Sein Hobby Motorradfahren helfe aber auch. Direktor Knieriem hat zum Abschalten ein Ritual: „Ich gehe immer außen rum ins Büro und gehe so wieder nach Hause. Es sind nur vier oder fünf Minuten Fußweg. Die ermöglichen mir, im Kopf eine Tür wieder zuzumachen“, sagt Knieriem.