Great Barrier Reef: Weltnaturerbe in Gefahr
Das größte Korallenriff der Welt, ein Tummelplatz exotischer Fische, ist bedroht. Australien will gigantische Häfen bauen. Ein Besuch.
Düsseldorf. Eine Plattform mitten im Ozean am Hardy-Riff vor der australischen Ostküste. Von einem Metallgitter springen Besucher mit Taucherbrille und Schwimmweste hinein ins Nass — und befinden sich unmittelbar in der Wunderwelt des Great Barrier Reef, des größten Korallenriffs der Welt. Ein zwei Meter langer Zackenbarsch zieht vorbei, eine Großaugen-Stachelmakrele, und Dutzende silbrige, blaue und gelbe Fische wuseln durchs Wasser.
„Unglaublich, solche Fische kenne ich nur aus dem Aquarium“, schwärmt Nancy Wong aus Malaysia. „Ich habe blaue und gelbe Korallen gesehen, wie Schwämme sahen die aus, und dazwischen kam Nemo zum Vorschein“, sagt ihre zehnjährige Tochter Lynn. Der Zeichentrickfilm „Findet Nemo“ mit dem süßen Clownfisch aus dem Pazifik hat dem ohnehin populären Barrier Reef viele weitere Besucher beschert.
1981 zeichnete die UN-Kulturorganisation Unesco es als Weltnaturerbe aus. Doch die Idylle ist in Gefahr: An der Ostküste sollen die größten Kohlehäfen der Welt entstehen. Dafür muss tief gebaggert werden, der Aushub soll ins Meer gekippt werden. 2000 Kilometer nördlich von Sydney liegt Abbot Point, ein Brennpunkt für Umweltschützer und die Unesco.
Das Welterbekomitee nimmt das Riff seit 2011 mit wachsender Sorge unter die Lupe. Australien hat Schutzmaßnahmen versprochen, doch die Experten sind nicht überzeugt. Sie empfehlen dem Komitee, das vom 15. bis 25. Juni wieder in Katar tagt, „wenn keine deutlichen Fortschritte gemacht werden, das Great Barrier Reef 2015 auf die Liste der ,Welterbestätten in Gefahr’ zu setzen“.
Abbot Point — nicht mehr als ein Schild weist entlang des Bruce Highway von Cairns nach Mackay auf den Hafen hin. „Privatgelände“ steht an der Stichstraße, Unbefugte haben keinen Zutritt. Hier wohnt Maurice Wilson (68), genannt Tubs, ein australisches Urgestein. 35 Jahre hat er hier auf ein paar Hektar Land Pferde gezüchtet, bis die Hafenbehörde vor ein paar Jahren kam und sein Land akquirierte.
Tubs wohnt seitdem quasi in der Natur. Unter einem hohen Flachdach, 50 Meter vom Strand entfernt, hat er sich Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer eingerichtet. Wände gibt es nicht. Bei schlechtem Wetter bietet ein Wohnwagen Schutz. „Sie wollten das Land für neue Gleisanlagen“, sagt Tubs. In Abbot Point sollen bald Riesenmengen Kohle verschifft werden, im Galilee-Becken 500 Kilometer im Hinterland sind gigantische neue Bergwerke geplant.
Den Hafen gibt es seit 1984. Die Lage ist attraktiv, weil sich 300 Meter lange Frachter in Küstennähe, über eine zweieinhalb Kilometer weit ins Meer gebaute Mole, beladen lassen. Die indische Firma Adani hat den Hafen gepachtet und will die Kapazität von 50 auf 120 Millionen Tonnen Kohle im Jahr ausbauen — das wäre der größte Kohlehafen der Welt.
Tubs sieht schwarz: „Die Fischgründe sind schon jetzt hin, wir bekommen hier kaum noch etwas an die Angel“, sagt er. „Vor 20 Jahren waren hier 150 Nester von Grünen Meeresschildkröten und Wallriffschildkröten am Strand. Letztes Jahr habe ich noch vier Nester gefunden, aber in keinem einzigen waren Eier.“
Umweltschützer und Unesco sind vor allem alarmiert, weil für neue Schiffliegeplätze am Ende der Mole drei Millionen Tonnen Schlamm und Sand ausgehoben werden müssen. Der Aushub soll verklappt werden, etwa 25 Kilometer nordöstlich des Hafens, in 40 Metern Tiefe, in einem 400 Hektar großen Areal im Great-Barrier-Reef-Marineschutzpark.
Die Marinepark-Behörde räumt ein, dass die Verklappung problematisch sein kann. So lässt sie das Abladen nur von März bis Juni zu, wenn die Korallen nicht laichen. Betroffene beruhigt das keineswegs. „Ich tauche seit 30 Jahren am Barrier Reef, die Sicht ist immer schlechter geworden“, sagt Col McKenzie, Direktor des Verbandes der Tourismusanbieter im Marinepark. „Ist das Wasser trüb, kommt weniger Licht in die Tiefe, die Korallen sterben, und ohne Korallen verschwinden auch die Fische.“ Der Tourismus ist größter Arbeitgeber entlang des 2300 Kilometer langen Riffs. „Wir kämpfen um unsere Zukunft“, erklärt er.
Das sagt auch Terry Must (53) in Bowen, 25 Kilometer südlich von Abbot Point. Der Fischer hat investiert, in zwei Trawler und eine kleine Fischverarbeitung. „Nun geht alles den Bach runter, wenn unsere Fischgründe beeinträchtigt werden.“
McKenzie und Must sind nicht gegen den Hafenausbau per se. „Es muss nur anders gemacht werden“, meint McKenzie. „Die Umweltbelastung am Riff ist schon hoch genug, wir können uns keine Verschlechterung mehr leisten.“