Großkotz und Schlappmaul: Lexikon der Karnevalspersönlichkeiten
Köln/Mainz (dpa) - Der Karneval kennt seine eigenen Stars: Ernst Neger, den Schlagerkönig der Nachkriegszeit. Heinz Schenk, das hessische Schlappmaul. Oder Rolf Braun, unsterblich geworden mit „Wolle mer'n eroilosse?
“ Eine alphabetische Übersicht von A bis W.
Adenauer, Konrad: War dem Karnevalstreiben seiner Heimatstadt Köln ganz und gar nicht zugetan. Am 1. Februar 1952 besprach der erste Bundeskanzler mit seinem Kabinett die „zersetzenden und gehässigen Satiren“ bei Karnevalssitzungen. Zunächst wurde ein rechtliches Vorgehen erwogen, doch das Bundesjustizministerium warnte, die frechen Karnevalisten würden zwangsläufig von rheinischen Richtern abgeurteilt werden, „die den karnevalistischen Bestrebungen weitgehendes Verständnis und Nachsicht“ entgegenbrächten. So beließ es Adenauer bei einem persönlichen Karnevalsboykott.
Braun, Rolf: War 25 Jahre lang Sitzungspräsident bei „Mainz bleibt Mainz“. Erkennungszeichen: dicke Hornbrille. Berühmtester Ausspruch: „Wolle mer'n eroilosse?“ Traditionelle Ansprache des Publikums mit den Worten: „Liebe Närrinnen und Narrhalesen!“ Nicht fehlen durfte: Namentliche Begrüßung Mainzer Lokalgrößen, von denen man in Rest-Deutschland nie gehört hatte.
Carneval, König: Ursprünglich gab es keinen Karnevalsprinzen, sondern einen Karnevalskönig. Die preußische Polizei setzte 1824 jedoch durch, dass aus dem König Carneval ein Held Carneval und später ein Prinz wurde. Begründung: In Preußen gibt es nur einen König, und der sitzt in Berlin.
Grass, Günter: Lebte nach dem Krieg für einige Jahre in Düsseldorf und schrieb 1968 die Kurzgeschichte „Einer unserer Mitbürger: Prinz Karneval“. Darin geht es um einen Prinzen, der SA-Sturmführer gewesen ist. Angesichts der Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS nicht unpikant.
Hilbich, Ernst: Hatte 20 Jahre lang seinen Kult-Moment in der Fastnachtsausgabe der ARD-Show „Zum Blauen Bock“, wenn er das Lied „Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter“ sang. Man sah ihn als Kind und später, wenn man selbst Kinder hatte, sah man ihn immer noch. „Blauer-Bock“-Wirt Heinz Schenk engagierte ihn jedes Jahr mit den Worten: „Ärnscht, du machst des widdä!“
Kuckelkorn, Christoph: Amtierender Leiter des Kölner Rosenmontagszuges. Organisiert im zivilen Leben Bestattungszüge und sieht viele Gemeinsamkeiten: „Beides ist hochemotional und auf gute Planung angewiesen.“
Millowitsch, Willy: Kölner Volkstheater- und Karnevalsgröße. Feierte Erfolge mit Hits wie „Schnaps, das war sein letztes Wort“. War privat alles andere als jeck, sondern ein chronisch schlecht gelaunter Patriarch.
Neger, Ernst: Größter aller Fastnachtsstars. Lebte von 1909 bis 1989 in Mainz. Bekannteste Lieder: „Heile, heile Gänsje“, „Humba-Täterä“ und „Rucki Zucki“. Eine Theorie besagt, dass das „Heile heile Gänsje“ den schuldbeladenen Deutschen der Nackkriegszeit unterschwellig die Vergebung ihrer Sünden suggerierte.
Schenk, Heinz: Legendärer Äbbelwoi-Wirt und TV-Babbler, Spitzname „Das Schlappmaul“. Erreichte 20 Jahre lang mit dem „Blauen Bock“ 20 Millionen Zuschauer. Höhepunkt des Jahres war die Karnevalsausgabe, in der Schenk selbstgestrickte Büttenverse zum Besten gab und ausgiebig sang, auch wenn er dies nachweislich nicht konnte. Lieferte in Hape Kerkelings Kinofilm „Kein Pardon“ eine großartige Selbstparodie als Showmaster Heinz Wäscher ab.
Wittgenstein, Heinrich von: Steinreicher Kölner und stadtbekannter Großkotz, der 1823 den bis dahin vorherrschenden Anarcho-Karneval in geregelte Bahnen lenkte. Ihn und andere Honoratioren störte, dass sich das Volk an den tollen Tagen „in sinnloser, oft ekelhafter Vermummung“ auf den Straßen herumtrieb und durch sein „wüstes Benehmen“ die Gebildeten vergraulte. Er erfand deshalb den organisierten Karneval, der rasch auch von Mainz, Düsseldorf und allen anderen rheinischen Hochburgen kopiert wurde.