Gruppenvergewaltigung in Indien: Höchststrafe für Jugendlichen

Neu Delhi (dpa) - Nach der mörderischen Gruppenvergewaltigung einer Studentin in Indien ist der erste Täter verurteilt worden. Der jüngste der Bande muss für drei Jahre hinter Gitter.

Das Jugendgericht habe den damals 17-Jährigen in allen Hauptanklagepunkten schuldig gesprochen, sagte Staatsanwalt Rajiv Mohan in Neu Delhi. Der nicht geständige Täter erhielt die Höchststrafe für Jugendliche. Separat verhandelt wird der Fall der volljährigen Angeklagten. Die Gruppe soll im Dezember die 23-Jährige in einem Bus entführt, vergewaltigt und mit einer Eisenstange so malträtiert haben, dass sie 13 Tage später in einer Klinik starb.

Die Eltern des Opfers reagierten empört, denn sie wollen alle Peiniger ihrer Tochter hängen sehen. Sie kündigten an, das Urteil anzufechten; damit ist es noch nicht rechtskräftig. Der Vater sagte mit Tränen in den Augen: „Meine Tochter ist tot und nachdem wir dieses Urteil gehört haben, sind wir auch tot.“ Nach Angaben des Anwalts der Familie ist der Angeklagte in sechs von 13 Anklagepunkten schuldig gesprochen worden, darunter Mord, Gruppenvergewaltigung, Vernichtung von Beweismaterial und Verabredung zur kriminellen Handlung.

Der Mordprozess gegen die volljährigen Verdächtigen vor einem Schnellgericht in Neu Delhi dauert noch an; dieses Urteil wird in den kommenden Tagen oder Wochen erwartet. Beobachter gehen davon aus, dass die Männer die Todesstrafe erhalten. Ein weiterer mutmaßlicher Täter wurde im März erhängt in seiner Gefängniszelle aufgefunden. Die Behörden sprachen von Selbstmord, seine Familie und sein Anwalt hingegen behaupteten, es sei Mord gewesen.

Das Urteil gegen den Jugendlichen war viermal verschoben worden. Anwälte wollten vorher höchstrichterlich klären lassen, ob alle Unter-18-Jährigen automatisch unter das Jugendstrafrecht fallen. Vergangene Woche machte das Verfassungsgericht den Weg frei für den Urteilsspruch. Indien hat ein progressives Jugendstrafrecht, das auch bei schwersten Delikten höchstens drei Jahre in einer Besserungsanstalt vorsieht. Die mehr als acht Monate Haft seit dem Verbrechen würden auf die Strafe angerechnet, sagte Verteidiger Rajesh Tiwari. Außerdem könne die Strafe weiter reduziert werden, wenn sich sein Mandant gut benehme.

Die Familie des Opfers sagte nach der Entscheidung, das Urteil sei zu milde und sende ein falsches Signal an andere potenzielle jugendliche Täter. „Wenn er (der Jugendliche) die Tat eines Erwachsenen begangen hat, dann sollte er auch wie ein Erwachsender behandelt werden“, sagte die Mutter vor dem Gerichtsgebäude. Die Gesetze müssten geändert werden, um auch Jugendliche schwer zu bestrafen. „Wir wollen alle fünf Angeklagten hängen sehen.“

Die Vergewaltigung hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, in ganz Indien Proteste ausgelöst und ein Schlaglicht auf die im Land grassierende Gewalt gegen Frauen geworfen. Die Regierung verschärfte die Gesetze für Sexualstraftaten und versprach schnellere Gerichtsverfahren. Auch diskutierte erstmals ein größerer Teil der Gesellschaft über Frauenfeindlichkeit und Rollenbilder im Land.

Viele Demonstranten forderten bei Protesten den Strang für alle Vergewaltiger, auch den Jugendlichen der Gruppe, der sich laut Staatsanwaltschaft gleichermaßen schuldig gemacht hat. In Indien können Gerichte nur bei erwachsenen Tätern in Ausnahmefällen die Todesstrafe verhängen.

Lebenslange Haftstrafen hatten die Vergewaltiger einer Schweizerin im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh erhalten. Sie waren über die 39-Jährige und ihren Begleiter hergefallen, als diese während einer Radtour zelteten. Eine ähnliche Strafe droht auch vier der fünf Männer, die in der vergangenen Woche in einer alten Ruine in Mumbai über eine 22 Jahre Fotografin herfielen. Auch bei dieser Gräueltat war einer der mutmaßlichen Täter offenbar ein Jugendlicher.

Zahlreiche Anwälte und Aktivisten in Indien fordern, die Altersgrenze für jugendliche Straftäter auf 16 abzusenken. Derzeit läuft vor dem Verfassungsgericht außerdem eine Verfahren, ob alle Unter-18-Jährigen unter das Jugendstrafrecht fallen sollen. Debattiert wird, ob nicht eher die geistige und psychische Reife entscheidend sein soll.