Halbblinder Brown patzt im Brief

Englands Premier wollte der Mutter eines Gefallenen kondolieren. Nun überzieht ihn die halbe Nation mit Häme.

London. Für Jacqui Janes war die Post des Premierministers ein Affront: Am Telefon las sie Gordon Brown die Leviten für einen schlampig verfassten Kondolenzbrief zum Tod ihres Sohnes, der in Afghanistan gefallen ist. Das Land schüttelt sich vor Schadenfreude. Dabei ist der Staatschef halbblind und der Schönschrift deshalb nicht mächtig.

Egal was Gordon Brown angeht, es misslingt. So auch bei dem Brief an die "Liebe Frau James", die eigentlich Janes heißt: Brown "kondolirt Ihre Familie" zum Tod von Sohn Jamie. Aus dem Jamie macht er hastig einen Jami. Was als handschriftlicher Trost für Frau Janes gedacht war, wird für Brown zum Bumerang.

In ihrer Wut über die Stümperei, und dann noch auf Briefpapier der Downing Street, ruft die Mutter beim Boulevardblatt "Sun" an. Die Zeitung aus dem Murdoch-Konzern hat gerade erst angekündigt, die Labour-Partei des Premiers nicht mehr zu unterstützen und platzt fast vor Häme: Der liederliche Brief bekommt einen prominenten Platz im Blatt und empört am nächsten Tag die halbe Nation.

Doch für Brown kommt es noch schlimmer: Um die Wogen zu glätten, ruft er die trauernde Mutter an. Die bombardiert ihn in einem 13-minütigen Gespräch mit Vorwürfen: "Mein Sohn könnte noch leben, wenn er wegen fehlender Helikopter und der schlechten Ausrüstung nicht verblutet wäre. Ihm hat es beide Beine unter den Knien weggerissen, er hat seine rechte Hand verloren und hätte eine Gesichtstransplantation gebraucht, wenn er denn überlebt hätte."

Brown stottert und entschuldigt sich ein Dutzend Mal für die Patzer im Kondolenzbrief. Doch so einfach lässt die sechsfache Mutter den Politiker nicht davonkommen. Als Brown sagt: "Aber ich habe Jamie doch richtig buchstabiert", entgegnet sie: "Ich kann nicht glauben, dass ich mit dem Premierminister Großbritanniens auf einer solchen Ebene diskutieren muss."

Dann listet sie sauber auf, welche Hubschraubermodelle wann nicht ausgeliefert wurden. "Sie haben doch die ganzen Banken gerettet - warum investieren Sie nicht mal etwas Geld in die Truppen?" Die "Sun" hat das für Brown überaus peinliche Telefonat prompt mitgeschnitten und zum kollektiven Amüsement auf ihre Internetseite gestellt.

Doch vielen geht die Schadenfreude zu weit: Dass Brown, der sich ehrlich bemüht, seine Anteilnahme auszudrücken, so vorgeführt wird, ist die eine Sache. Schwerer noch wiegt die Kritik an der "Sun" von Leuten, die sein Schicksal teilen: "Es ist rührend, dass der Premier überhaupt versucht, einen Brief per Hand zu verfassen", nimmt ihn ein Blindenverband in Schutz. "Wer einseitig erblindet ist, kann kaum den Unterschied zwischen i und e beziehungsweise m und n erkennen."

Brown ist seit einem Rugby-Unfall in der Jugend auf dem linken Auge blind. Diese Einschränkung nehmen Gegner gern zum Anlass, an seiner Befähigung für Regierungsgeschäfte zu zweifeln. Die Erkrankung dürfte auch der Grund für seinen Protokollverstoß am Sonntag sein: Weil Brown nach einer Kranzniederlegung die Orientierung zwischen Stufen, Kriegsdenkmal und Delegationen verlor, verbeugte er sich zur Empörung der Armee nicht vor den Toten.

Er wollte wirklich niemanden beleidigen, betont Brown. Er wisse durch den Tod seines Babys Jennifer, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren. Jacqui Janes sagt nun, dass sie die Entschuldigung des Politikers akzeptiere. Und Brown, der sich im Frühjahr 2010 zur Wahl stellt, hat schon mal einen Vorgeschmack auf die schwierigen nächsten Monate bekommen.