Nachruf Hamburger Raubein mit Charme - TV-Star Jan Fedder gestorben

Hamburg · Er habe „dieses Hauptdarsteller-Gen“, sagte ein Drehbuchautor mal über Jan Fedder. „Wenn er in einer Szene drin ist, ist es eine Fedder-Szene.“ Ob im TV-Dauerbrenner „Großstadtrevier“ oder in der großen Lenz-Romanverfilmung: Fedder blieb bei allem unverwechselbar.

Der Schauspieler Jan Fedder bei Dreharbeiten zu "Der Hafenpastor" im Jahr 2012. Er starb im Alter von 64 Jahren in Hamburg.

Foto: dpa/Angelika Warmuth

Große Klappe, großes Herz - so haben die Zuschauer Jan Fedder geliebt. Als „Großstadtrevier“-Polizist Dirk Matthies sorgte er über Jahrzehnte in der ARD-Dauerserie für Recht und Ordnung auf St. Pauli. Kiez und Kodderschnauze - zu Fedder gehörte beides. Sowohl zur Rolle seines Lebens im Fernsehen wie auch im wahren Leben. Dort am Hafen, zwischen Schiffen und Seemännern, Reeperbahn und Rotlichtmilieu, war er aufgewachsen. Ein waschechter Hamburger Jung, der weit über seine Heimat hinaus zum Publikumsliebling wurde. Am Montag teilte die Polizei mit, dass der „Hamburger Ehrenkommissar“ gestorben ist. Jan Fedder wurde 64 Jahre alt.

Fedder war ein Kerl mit Kanten und auf Konventionen pfeifend, ein Raubein mit Charme. Vor allem einer, der sich nicht verbiegen ließ und sagte, was er dachte. Als er 2006 nach vielen Jahren im Einsatz als TV-Polizist seinen ersten und einzigen Deutschen Fernsehpreis bekam, erhielt er den nicht etwa als Serienstar, sondern für die Hauptrolle in „Der Mann im Strom“. Einen arbeitslosen Taucher im Hamburger Hafen, der für einen Job seine Papiere fälscht, hatte er darin verkörpert. Fedders Kommentar bei der Preisverleihung auf der Bühne: „Und die Moral von der Geschicht': Mach einfach vier Wochen mal ein anderes Gesicht. Und dann, Alter, das ist kein Scheiß, kriegst du dafür den Deutschen Fernsehpreis.“

Siegfried Lenz hatte Fedder gern

In vier Verfilmungen von Lenz-Werken übernahm Fedder die Hauptrolle. „Jan Fedder ist ein Schauspieler, den ich einfach gern habe“, hatte Schriftsteller Siegfried Lenz mal gesagt. „Das geht so weit, dass ich für den Rest meines Lebens das, was ich schreibe, insgeheim an ihn adressieren werde; in der Hoffnung, das kann nur Jan Fedder spielen.“ In den 50er Jahren war Lenz (1926-2014) nach Hamburg gezogen - jene Zeit, in der der kleine Jan am Hafen aufwuchs. Die Mutter war Tänzerin, der Vater hatte eine Kneipe, die er wegen der beiden Söhne Jan und Oliver schon um 18 Uhr schloss - bevor Prostituierte und Betrunkene das Viertel übernahmen. Großvater und Urgroßvater fuhren einst zur See, der Vater war nicht nur Kneipier, sondern auch Kirchenvorstand. Im Hamburger Michel sang Jan im Knabenchor.

„Ich bin nicht nur echter Hamburger, ich bin echter St. Paulianer - das ist 'ne ganz besonders edle Rasse“, hat Fedder seinen Kiez-Bullen Matthies, den er seit 1992 in Deutschlands bekanntestem TV-Polizeirevier spielte, mal erklären lassen. Die Verkörperung norddeutscher Charaktere - mal mehr, mal weniger Plattdeutsch schnackend - waren sein Markenzeichen. „Volksschauspieler - mit Fug und Recht“, nannte er sich selbst. „Eine Art Brackwasser-Bogart, sozialdemokratisch-grundiert bis in die Falten seiner Lederjacke“, schrieb das Magazin „Stern“ mal über „Fedder/Matthies“ und formulierte sein Erfolgsrezept so: „Er spielt sich selbst, und das mit Inbrunst.“

Als Maat Pilgrim in „Das Boot“

Erst waren es kleine TV-Rollen, bis er 1981 fürs Kino in ein U-Boot stieg und zu Maat Pilgrim wurde: in Wolfgang Petersens Kinoerfolg „Das Boot“. Viele aus jener legendären Leinwand-Crew machten danach Karriere, allen voran Jürgen Prochnow, der damit den internationalen Durchbruch schaffte. Fedder blieb in der Heimat und drehte oft dort, wo „son büschen“ Hamburger Slang gefragt war. In Hunderten Film- und Fernsehproduktionen wirkte er mit: von Engagements in Reihen wie „Tatort“ oder „Traumschiff“ bis hin zum Gastauftritt in Fatih Akins Kinoerfolg „Soul Kitchen“. Nicht nur sein Part im „Großstadtrevier“ und als ebenfalls auf St. Pauli wirkender „Hafenpastor“ waren Paraderollen für Fedder, auch die des bräsigen Bauern Brakelmann in der NDR-Fernsehserie „Neues aus Büttenwarder“.

Angesiedelt ist das fiktive Dorf Büttenwarder in Schleswig-Holstein, wo Fedder im Kreis Steinburg auch einen Bauernhof bewohnte. Für Peter Heinrich Brix, Kollege und „Büttenwarder“-Bauernkumpel „Adsche“, war Fedder ein „Gesamtkunstwerk“. „Ich denke, man sollte ihn so nehmen wie er ist - und das ist 'ne ganze Menge“, hatte Brix über ihn gesagt. Produzent Markus Trebitsch nannte ihn mal „die größte Symbiose aus einer ziemlich großen Klappe und einem großen Herzen“. Und Drehbuchautor Norbert Eberlein betonte, Fedder habe „dieses Hauptdarsteller-Gen“. „Wenn er in einer Szene drin ist, ist es eine Fedder-Szene.“

Ehrenkommissar bei der Polizei

Gleich mehrfach wurde Fedder von der Polizei zum Ehrenkommissar ernannt. Dabei hatte er lange überlegt, bevor er die „Großstadtrevier“-Rolle annahm. „Ich wohnte ja damals schon auf St. Pauli - und dann kriegst du plötzlich das Angebot, einen Bullen zu spielen.“ Als „Brot und Butter - meine Haupternährung“ bezeichnete er die Serie, „austoben“ könne er sich in „Büttenwarder“ und der „Hafenpastor“ gehöre zu den „Sahnehäubchen“. Fast wäre er auch mal „Tatort“-Kommissar geworden, als Manfred Krug 2001 aufhörte. „Die Ansage war aber: "Jan, den 'Tatort' kannst du haben, nur dann musst du das 'Großstadtrevier' abgeben - beides geht nicht. Da dachte ich mir nur: Schuster, bleib bei deinen Leisten!“

Auf der Reeperbahn steht Fedder als Wachsfigur im „Panoptikum“, St. Pauli blieb auch immer sein Zuhause. Selbst in seiner Ehe mit Marion - das Paar heiratete 2000 im Michel - blieben getrennte Wohnungen wichtig. Seine Sammelwut mit allen möglichen alten Objekten konnte er auf dem Bauernhof ausleben. Zurückgezogen vom Filmset hatte sich der Schauspieler, der mit seiner knarzigen Stimme auch als Sänger auftrat, nur für Zwangspausen aus gesundheitlichen Gründen, erstmals 2012 wegen einer Krebstherapie. Immer wieder machte ihm seitdem seine Gesundheit zu schaffen, doch Fedder gab nicht auf.

Fedder war ein Volksschauspieler

Den Glauben an Gott habe er nicht verloren, aber seine Krankheiten hätten ihn daran zweifeln lassen, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur im Herbst 2016. „Das habe ich eigentlich nicht verdient. Ich bin ein grundehrlicher Mensch. Ich lüge nicht, ich habe noch nie jemanden beschissen, gar nix.“ Nur beim Thema Krankheiten habe er gelegentlich geschummelt. „So ziemlich alles mache ich - leider - mit mir selbst aus“, erzählte er auch. „Viele Freunde habe ich nicht, nicht mehr so wie früher. Aber ich habe einen besten Freund und eine wundervolle Frau - die beiden helfen mir, sind immer für mich da.“

Was er seiner Branche damals mit auf den Weg gab: „Schauspieler wie ich sterben aus, die gibt's bald nicht mehr. Den Typus Volksschauspieler findet man kaum noch. Ich suche seit 20 Jahren den jungen Jan Fedder oder die junge Janine Fedder - völlig vergeblich.“ Die jungen Kollegen heute ähnelten sich auch alle sehr. „Guck dir mal "Das Boot" an, die Mannschaft - diese Fressen kriegst du heute gar nicht mehr zusammen.“ Die Idee zur „Boot“-Neuauflage als Serie ärgerte ihn: „Das ist wirklich eine Verunglimpfung eines Kunstwerks!“

Sich selbst nannte Fedder später oft ein „altes Zirkuspferd“. „Ich kann zwar nicht mehr so hoch springen, aber im Kreis laufen kann ich immer noch“, sagte er, als er trotz Krankheit wieder drehen konnte. Doch als im Herbst 2017 die 31. „Großstadtrevier“-Staffel anlief, war klar, dass das Aushängeschild Fedder nicht mehr in jeder Episode zu sehen ist. „Jetzt wünsche ich mir nur noch eine Tüte Gesundheit“, hatte er ein Jahr zuvor im Interview gesagt und auf Besserung gehofft. „Auch wenn mir jemand die Treppe hochhelfen muss, eines Tages wird es bestimmt wieder besser“, sagte er. „Nur wenn ich nicht mehr drehen darf, dann falle ich tot um. Dann ist es vorbei.“

(dpa)