Handyvideos von Flüchtlingen werden zum Film

Berlin (dpa) - Die ersten Schritte des Kindes oder eine spielende Katze - Handyvideos machen wir von vielen Dingen. Anhand solcher Clips ist nun ein Dokumentarfilm entstanden.

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Der Inhalt ist allerdings deutlich brisanter: „#MyEscape“ erzählt die Geschichte von Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa. Aufgenommen mit ihren Handys. Der WDR zeigt den Film am Mittwoch (10.2.) um 22.55 Uhr.

„Für die meisten von ihnen ist das Mobiltelefon ein unverzichtbares Mittel zur Organisation ihrer Flucht“, erklären die Produzenten Deutsche Welle, WDR und Berlin Producers. „Gleichzeitig transportieren sie damit Erinnerungen an das Zurückgelassene und dokumentieren Fluchtstationen.“ Die Aufnahmen bleiben nicht unkommentiert - die Flüchtlinge äußern sich dazu auch in Interviews.

Einer von ihnen ist Hambar Al Issa. Der syrische Mediziner flüchtete von Damaskus bis nach Berlin. Seine Ankunft in Deutschland hielt er mit Selfies fest - etwa vorm Reichstag oder dem Brandenburger Tor.

Aber was bewegte ihn, das Mobiltelefon während der beschwerlichen und riskanten Flucht zu zücken? „Ich wollte einen Teil dieses Leids filmen“, erzählt der junge Mann, der am 24. September in Berlin ankam. „Vielleicht hilft es ja, eine Botschaft an die Menschen in Deutschland zu senden, dass wir auch Menschen sind.“

Das Material zu dem 90 Minuten langen Film sammelten die Produzenten in sozialen Medien wie YouTube. Nach eigenen Angaben gingen sie aber auch direkt in Flüchtlingsunterkünfte, um nach Material zu fragen. „Wir wollen ein Verständnis vermitteln und eine Empathie erzeugen für das, was die Menschen auf der Flucht erlebt haben“, erklärt Jutta Krug, die beim WDR für Dokumentarfilme zuständig ist. „Eine größere Nähe und Authentizität ist, glaube ich, nicht zu erreichen.“

Filme auf Basis von Handyvideos sind kein Neuland mehr. Ein Beispiel ist der Kinofilm „Life in a Day“, der mithilfe von YouTube-Clips dokumentiert, was weltweit an einem einzigen Tag passierte. In dem Fall ist das der 24. Juli 2010. Aktueller ist „Alaaf You“, der den Karneval in Köln mit solchen Videos zeigt.

Bei „#MyEscape“ fühlt sich der Zuschauer aufgrund der Perspektive tatsächlich so, als sei er selbst dabei. Sogar die letzte Falafel in der Heimat und die Verhandlungen mit Schleusern sind dokumentiert. Während der gefährlichen Überfahrt in einem völlig überfüllten Schlauchboot spritzt Wasser umher. Oder die Kamera wackelt bei einer rasend schnellen Fahrt durch die Wüste. Bewegend sind auch die Aufnahmen aus dem Inneren eines Benzintanks in einem Bus, in dem ein Mann mit seinem Neffen flüchtete.

Viele hätten die Aufnahmen für die Daheimgebliebenen gemacht, um ihnen von der Flucht zu berichten, erzählt Regisseurin Elke Sasse. Der Großteil habe aber das Ziel gehabt, die Bilder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen - und Aufklärung zu leisten.

Allein im vergangenen Jahr kam rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Mehr als 70 000 erreichten Berlin. Doch nicht alle Menschen, die den gefährlichen Weg auf sich nehmen, kommen ans Ziel. „Die Flucht ist um einiges schwieriger geworden“, betont Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Organisation Human Rights Watch. Der Januar sei bisher der Tödlichste für Flüchtlinge in der Passage in der Ägäis gewesen, die auch im Film zu sehen ist.

Hambar Al Issa kam über die Balkanroute aus Syrien nach Deutschland. Seinen Beruf als Arzt darf er hier zwar nicht ausüben. Er möchte sich hier aber weiterqualifizieren, wie er erzählt. Ein Ehepaar hat ihn bei sich aufgenommen. Grund genug für eine Fortsetzung? Das wäre durchaus denkbar, sagt Jutta Krug vom WDR. Vielleicht unter dem Titel „#MyGermany“.