Ex-Kunstberater Helge Achenbach wieder frei - Einzug bei Wallraff
Düsseldorf/Köln (dpa) - Vor dem 10. Juni 2014 war Helge Achenbach der einflussreichste Kunstberater Deutschlands, flanierte mit schwerreichen Kunden über die Kunstmessen von Basel bis Miami und schmiss glamouröse Partys.
Als Achenbach an jenem Juni-Tag aus Brasilien zurückkehrte, wo er das WM-Quartier der deutschen Fußball-Nationalelf mit Kunst bestückt hatte, wartete am Flughafen Düsseldorf die Polizei auf ihm. Es ging direkt in den Knast. Das Glamour-Leben war vorbei.
Achenbach wurde wegen Millionenbetrugs an reichen Kunden zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Vier Jahre davon, also zwei Drittel, hat er verbüßt und ist seit Mittwoch wieder auf freiem Fuß, Resturlaub eingerechnet. Die nächste Fußball-WM steht vor der Tür - aber ohne Achenbachs Kunstservice.
Der einstige Strippenzieher der Kunstszene gibt sich geläutert: „Ich möchte nicht mehr der alte Helge sein, dieser Zampano“, sagt Achenbach der Deutschen Presse-Agentur. „Die vier Jahre waren brutal schwer, haben mich aber auch gereinigt.“ In seiner Haftzeit hatte der studierte Sozialpädagoge als Sportwart gearbeitet, Trikots gewaschen, Duschen und Toiletten geputzt, im Chor gesungen und malen gelernt. Heute sei seine Haltung von „Demut, Dankbarkeit und Respekt“ geprägt, sagt er.
Achenbachs Unternehmen sind pleite, sein Firmen-Kunstschatz aus rund 2500 Arbeiten wurde für 11,5 Millionen Euro zwangsversteigert. Der frühere Berater der Superreichen fängt in seiner wiedergewonnenen Freiheit neu an - mit 66 Jahren.
Achenbachs künftige Bleibe: das Heim des Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff (75) in einer schmalen Straße im Multikulti-Stadtteil Köln-Ehrenfeld. Der „Ganz unten“-Autor hatte Achenbach die Wohnung vor etwa einem halben Jahr angeboten. Zwei kleine Räume mit Schräge im Dachgeschoss, zusammen etwa 35 Quadratmeter groß, dazu ein Balkon werden die bescheidene Bleibe sein. „Wir teilen uns Küche und Bad“, sagt Wallraff der dpa.
„Ich habe Helge Achenbach kennengelernt, als er aus dem Kunstgeschäft rauswollte, weil es da immer mehr nur noch um Spekulation und Geldanlage ging.“ Das Gefängnis habe Achenbach nicht gebrochen, sondern aufgebaut und seine positiven Seiten hervorgebracht, sagt Wallraff, der schon mehreren prominenten Kulturschaffenden „Asyl“ geboten hatte. „Ich würde sagen, er ist jetzt ein Freund von mir.“
Für die Zukunft hat Achenbach bereits Pläne: Er habe mit Hilfe von Freunden eine gemeinnützige Stiftung für politisch verfolgte Künstler in Krisenländern auf den Weg gebracht. „Es ist eine Art Cap Anamur für die Kultur“, sagte Achenbach. „Damit werde ich hoffentlich die nächsten 20 Jahre ein erfülltes Leben haben.“
So ganz ungetrübt dürfte die Freude über die Freiheit aber nicht sein. Die Familie des 2012 gestorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht fordert vor Gericht noch Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe von Achenbach. Der umtriebige Kunstberater hatte seinen Duzfreund Albrecht beim Vermitteln von Kunst und Oldtimern mit verdeckten Preisaufschlägen um fast 20 Millionen Euro betrogen. Dafür kam er ins Gefängnis.
In Geschäfte und Kommerz will Achenbach jedenfalls nicht mehr verwickelt werden, sondern in Zukunft „glaubwürdig“ bleiben. „Letztendlich fühle ich mich heute glücklicher als je zuvor, weil ich befreit bin - entmaterialisiert sozusagen.“