Herr Opp sammelt Großstädte

Als DDR-Bürger waren westdeutsche Städte für ihn unerreichbar, mittlerweile hat er fast alle zweimal besucht.

Moers. Andere sammeln Bierdeckel oder Briefmarken. Wolfram Opp (68) sammelt Städte. Deutsche Großstädte, um genau zu sein. Weil man die in kein Album kleben kann, muss man hinreisen. Das hat er getan. Sämtliche 76 deutschen Städte mit mindestens 100 000 Einwohnern — erst dann sind es Großstädte — haben in den vergangenen 25 Jahren Besuch erhalten von Herrn Opp.

Und „weil einmal keinmal ist“, hat sich der Lübecker vorgenommen, sämtlichen Großstädten mindestens zwei Besuche abzustatten. Bald ist es soweit: „Es fehlt nur noch der zweite Besuch in Ingolstadt, Erlangen und Offenbach.“ Im kommenden Jahr soll das geschafft sein.

Soeben war Wolfram Opp — wie immer mit dem Zug — in Moers, mit zuletzt knapp 104 000 Einwohnern eine der kleinen Großstädte. Damit hat Opp das Kapitel Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. Sämtliche 28 Großstädte in NRW — kein anderes Bundesland hat mehr — seien von ihm nun mindestens zweimal heimgesucht worden, erzählt er.

Wie er zu seinem ungewöhnlichen Hobby kam? „Das Reisen hat mich schon immer interessiert“, sagt Opp, der inzwischen im Ruhestand ist. Und damals in der DDR, als er im damaligen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) lebte, erst als Mathe- und Sport-Lehrer, dann als Justiziar arbeitete, hörte er in den westlichen Medien immer die Städtenamen aus der nahen und für ihn doch so fernen Bundesrepublik. „Da habe ich eine gewisse Sehnsucht entwickelt. Damals habe ich ja noch gedacht: Da kommst du nie hin.“

Doch ein Jahr vor der Wende wird 1988 sein Ausreiseantrag bewilligt. Opp legt los und steuert die unbekannten Städte mit den vertrauten Namen an. Seitdem ist er zum Kenner deutscher Urbanität geworden, bleibt bei der Frage nach der hässlichsten Stadt aber diplomatisch: „Ich will in jeder Stadt gewesen sein. Ob die schön ist oder nicht, interessiert mich nicht.“ Außerdem sei der Eindruck sehr subjektiv: „Das hängt vom Wetter ab und vom eigenen Befinden.“ Fast jede Stadt habe auf den zweiten Blick ihre schönen Ecken — manchmal müsse man eben etwas laufen, bevor man sie findet.

Auf den ersten Eindruck am Bahnhof dürfe man ohnehin nicht allzu viel geben, sagt Opp. Das sei selten die schicke Visitenkarte einer Stadt. Nach ein paar Minuten Fußmarsch ändere sich das Bild meistens. Herausgeputzt hätten sich in den vergangenen 25 Jahren vor allem die ostdeutschen Städte.

Einen Geheimtipp hat er auch: „Braunschweig.“ Die Pfalz, der Dom und das Denkmal von Heinrich dem Löwen seien die Reisen wert gewesen. Manchmal besucht der Lübecker Opp auch kleinere Städte. Lüdenscheid habe er allein wegen des Loriot-Sketches mit „Herrn Müller-Lüdenscheidt“ besucht. Zwickau hätte er sich eigentlich schenken können: Die Stadt ist inzwischen unter die 100 000-Einwohner-Marke gerutscht und somit keine Großstadt mehr.

2007 war er schon einmal in Moers, der erste Eindruck: „Trostlos.“ Aber an der ersten großen Kreuzung kommt die Erinnerung: „Jetzt erkenne ich das wieder“, sagt er und freut sich. Ausgerüstet mit Funktionsjacke, Cargo-Hose und Rucksack erkundet Opp die Stadt zu Fuß. Am Abend entdeckt er auch an Moers noch die schöne Seite: „Einen wunderschönen Schlosspark und eine nette Fußgängerzone.“