Reizbarkeit ist größer Hitze-Stress: Erhöhtes Risiko im Verkehr
Frankfurt/Main (dpa) - Hitze, warme Nächte, womöglich schwüle Gewitterluft - ist dieses Wetter besonders gefährlich? Und macht es manche Menschen womöglich zu einem Risikofaktor? Eine bereits vor Jahren veröffentlichte Untersuchung der ADAC-Unfallforschung lässt das zumindest vermuten.
Danach ereignet sich jeder siebte Verkehrsunfall mit Verletzten an heißen Sommertagen mit Temperaturen von 25 Grad und mehr. Hauptursache sind vor allem Fahrfehler durch mangelnde Konzentration, hieß es damals in der Studie.
Mach Angaben eines Sprechers sind die Ergebnisse auch heute noch aktuell. Allerdings wurden keineswegs sämtliche Verkehrsunfälle berücksichtigt, sondern die schweren Unfälle untersucht, bei denen die Luftrettung zum Einsatz kam, erläuterte ein Sprecher. Immerhin: An Tagen mit einer Temperatur von weniger als 15 Grad liegt der Anteil der „konzentrationsrelevanten“ Unfälle bei 47 Prozent. Im Sommer dagegen steigt er mit den Temperaturen auf 63 Prozent an.
Harte wissenschaftliche Tatsachen für ein höheres Unfallrisiko an heißen Tagen lassen sich schwer aufbringen, meint der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Das liege auch an den unterschiedlichen Verkehrsverhältnissen an heißen Sommertagen. „In der Stadt gibt es ferienbedingt deutlich weniger Verkehr, dafür sind viel mehr Fahrrad- und Motorradfahrer unterwegs.“
Allerdings sieht Brockmann durchaus Anzeichen für ein höheres Unfallrisiko. „Die Reizbarkeit an Hitzetagen ist deutlich höher“, sagt er. Das könne dann auch zu aggressiverem oder risikobereiteren Verhalten im Verkehr führen. Im prallen Sonnenlicht können Autofahrer Radler oder Motorradfahrer unter Umständen schwer und möglicherweise zu spät erkennen. Hinzu kommt Dehydrierung, wenn ein Fahrer trotz heißer Temperaturen nicht genug getrunken hat. „Das kann zu extremen Konzentrationsschwächen führen.“
Vor allem bei Arbeiten im Freien muss auf Trink-Pausen und Sonnenschutz geachtet werden, warnt auch Jörg Feldmann, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund. „Bei körperlicher Arbeit erhöht sich die Körpertemperatur. Da ist bei Hitze die Gefahr wesentlich größer, dass es zu einem Hitzschlag kommt.“ Das gelte vor allem bei fehlender Kopfbedeckung.
In klimatisierten Büros hingegen sei die Hitze draußen kein größeres Problem - auch wenn der Körper durch die Temperaturunterschiede zwischen drinnen und draußen gestresst werde.
Hohe Temperaturen können vor allem für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefährlich sein, aber auch für ältere und pflegebedürftige Menschen. „Weil der Körper im Alter die Temperatur nicht mehr gut regulieren kann und auch das Durstgefühl abnimmt, besteht immer die Gefahr von Flüssigkeitsmangel und Überhitzung“, sagt Dagmar Jung, Referentin für angewandte Gerontologie bei der Diakonie Hessen. In Alters- und Pflegeheimen werden den Bewohnern daher ständig Getränke, Obst und Salzstangen angeboten.
„Wenn Pflegebedürftige ihr Bett wirklich nicht mehr verlassen können, erhalten sie Hilfe mit altbewährten Hausmitteln, wie kühlenden Umschlägen“, sagt Jung zu den Bemühungen, die Gesundheitsrisiken für alte und kranke Menschen zu verringern.
Während der Hitzewelle im Jahr 2003 starben auch in Deutschland tausende Menschen an den Folgen von Hitzebelastungen. Derzeit geht der Deutsche Wetterdienst (DWD) deutschlandweit von einer hohen Gefährdung für wetterfühlige Menschen an.
Ob die erhöhte Reizbarkeit zahlreicher Menschen auch das Risiko höherer Gewaltbereitschaft und Gewaltkriminalität bedeutet, ist wissenschaftlich nicht eindeutig nachweisbar. Gerade in den USA gibt es Studien darüber, auch mit Blick auf die Folgen durch Klimaveränderungen. „Allerdings zeigt sich immer, dass reine Hitzeeffekte eher schwach sind“, sagt der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick.