Ab durch die „Grüne Hölle“ Hobby-Rennfahrer auf dem Nürburgring
Nürburg (dpa) - Ein aufgemotzter Opel, ein Porsche und ein Lamborghini stehen nebeneinander. Drei Schranken heben sich, die Motoren heulen auf, die drei Wagen düsen los. Die Abendsonne strahlt auf die Eifel.
Der Nürburgring, laut Eigenwerbung das „schönste Stück Asphalt zwischen Nord- und Südpol“, ist für normale Autofahrer geöffnet. Ohne Gegenverkehr kann jeder über die 73 Kurven der 20,832 Kilometer langen Nordschleife jagen. „Es ist die beste Rennstrecke der Welt“, schwärmt Paul aus England, der seinen Nachnamen nicht nennt, neben seinem schwarzen McLaren, und lässt lächelnd fremde Kinder auf dem tiefen Fahrersitz Platz nehmen.
Der Polizeichef von Adenau, Heiko Schmitz, sagt: „In ganz Europa wüsste ich von keiner anderen so langen Rennstrecke für Touristenfahrten.“ Englische und skandinavische, russische und arabische Kennzeichen: Motorsportfans aus der ganzen Welt suchen hier den Nervenkitzel. Manchmal kommt es zu Unfällen. Touristenfahrten bieten auch andere deutsche Rennstrecken wie der Hockenheim- und der Lausitzring an, aber nicht wie der Nürburgring fast täglich in einer Saison - insgesamt mehr als 800 Stunden von Frühling bis Herbst.
Kemal Mehmet, Immobilienvermieter aus England, ist schon im Ferrari im Uhrzeigersinn über die Nordschleife gerast. An diesem Sommerabend versucht er es mit seinem orange-metallicfarbenen Lamborghini Huracán. 111 Fahrzeuge fahren laut einer Anzeigetafel gerade zugleich auf der Berg-und-Talfahrt mit tückischen Kuppen, schwer einsehbaren Kurven und unterschiedlicher Bodengriffigkeit durch den Wald. „Ganz schön voll heute“, sagt Mehmet anschließend. Aber es sei ein netter Trip gewesen. Der spanische BMW-Fahrer und Rechtsanwalt Enrique Ubeda freut sich über das internationale Ambiente in der abgelegenen Eifel: „Es ist toll, hier Motorsportfans aus der ganzen Welt zu treffen.“
Tempolimits gibt es kaum auf der auch von Motorradfahrern genutzten Nordschleife. Das trägt zu ihrem Reiz bei. Der Nürburgring weist aber alle Touristenfahrer auf die auch hier gültige Straßenverkehrsordnung mit Rechtsüberholverbot hin: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird.“
Viele Motorsportfans tragen Motorradhelme und haben ihr Vehikel mit Überrollbügeln ausgerüstet. Manche streifen sich Handschuhe über für mehr Griffigkeit am Lenkrad. Hin und wieder filmt ein Beifahrer mit dem Handy die Tour durch die „Grüne Hölle“, wie der Rundkurs im Landkreis Ahrweiler auch genannt wird. Manche Motorsportfreunde vertrauen sich für mehr Geld lieber einem „Ringtaxi“ an, gesteuert von einem Profi. Mitunter ist auch ein langsameres Gefährt zu sehen: ein gelber Abschleppwagen, der ein liegengebliebenes Auto birgt.
Nürburgring-Chef Mirco Markfort sagt: „Die Nordschleife ist weltweit das Mekka des Motorsports.“ Touristenfahrten gebe es schon seit der Eröffnung der Rennstrecke vor 90 Jahren - gerade erst hat sie ihr Jubiläum gefeiert. Eine Runde auf der Nordschleife kostet werktags 25 Euro und am Wochenende 30 Euro. „Ein Rennen und gar ein Sieg auf der Nordschleife hat für Rennfahrer seit jeher eine ganz besondere Bedeutung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Motorsportfans aus aller Welt den Mythos Nordschleife selbst mit dem eigenen Pkw oder Motorrad erleben möchten“, ergänzt der Ring-Chef.
„Es gibt Amerikaner und Briten, die ihre Sportwagen im Container hierher verschiffen. Andere mieten hier Scheunen und Garagen an, um sie unterzustellen“, erklärt Markfort. Viele ausländische Gäste gelangen auch wie die deutschen Hobbyrennfahrer mit dem eigenen Auto zum Ring, der nach politischen und finanziellen Querelen der NR Holding um den russischen Pharmaunternehmer Viktor Charitonin gehört.
Eine weitere Möglichkeit ist die Anreise mit dem Flugzeug und die Anmietung eines Wagens bei einem speziellen Autoverleih in der Umgebung, etwa bei rent4ring. Mitinhaber Marc Müller sagt: „95 Prozent unserer Klientel ist nicht deutschsprachig.“
Frauen seien klar in der Minderheit: „99 Prozent unserer Kunden sind Männer“, fügt Müller hinzu. Diese buchten manchmal sogar heimlich ein Auto. „Und dann sagt der Mann in den Flitterwochen: „Ach, Schatz, jetzt sind wir gerade in der Nähe vom Nürburgring, lass uns doch mal eine Runde drehen.““ Auch Heiratsanträge auf der Nordschleife hat Müller nach eigenen Worten schon mitbekommen.
Der Autovermieter bezeichnet die „Grüne Hölle“ als die gefährlichste Rennstrecke der Welt. „Da bleiben Unfälle nicht aus, das macht aber auch den Mythos aus, so traurig das ist.“ Kreuze für Unfalltote gebe es wohlweislich nicht am Ring. Als problematisch auf der 1927 eröffneten Rennstrecke gelten die oft gewaltigen Tempounterschiede zwischen Kleinwagen und 500-PS-Sportwagen. Manche Touristenfahrer erreichen nach Müllers Worten um die 250 Kilometer pro Stunde auf geeigneten Streckenabschnitten. Beim Online-Videoportal YouTube finden sich mit den Stichwörtern „Nürburgring“, „Touristenfahrten“ und „Crash“ schier unzählige Unfallfilmchen.