Homeboy-Café: Zweite Chance für harte Jungs

Los Angeles gilt als Hauptstadt der Bandenkriminalität. In einem Projekt lernen ehemalige Gangster ein bürgerliches Leben kennen.

Los Angeles. Los Angeles. Wer auf den Straßen von L.A. überleben will, muss bereit sein, etwas zu riskieren. Fredrick Sanders (18) weiß das. Zielstrebig geht er auf die fünf älteren Damen zu, die sich ein paar Meter weiter unbekümmert unterhalten. Die Goldkettchen blinken, während der tätowierte Mann blitzschnell etwas aus seiner Tasche hervorzieht — einen Notizblock.

Früher griff Sanders zur Waffe, wenn er auf potenzielle Opfer traf. Heute ist der Stift sein Werkzeug. Mit ihm notiert er sich die Wünsche der älteren Damen, die sich bei den Homeboy Industries zum Mittagessen getroffen haben. Das Unternehmen sucht weltweit seinesgleichen: Bei den „Homeboys“ arbeiten ausschließlich ehemalige Gang-Mitglieder, drogengefährdete Jugendliche und solche, die ohne professionelle Hilfe während ihrer Bewährungszeit sofort rückfällig werden würden.

Der Jesuitenpriester Gregory Boyle gründete das Projekt 1988, um ehemaligen Gang-Mitgliedern nach einem Gefängnisaufenthalt eine Perspektive zu bieten. Sein Motto: „Nichts stoppt eine Kugel so gut wie ein Job.“

Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem Hinterhof-Projekt ein florierendes Gastronomie-Unternehmen mit Restaurant, Bäckerei, Catering-Service und einem Imbiss im Rathaus. Politiker, Polizisten und immer öfter auch Touristen schwärmen für die Homeboy Industries, die mittlerweile fast 300 Ex-Knackis beschäftigen.

„Auf der Straße bist du nach dem Knast nichts, aber hier wirst du respektiert“, sagt Fredrick Sanders, während sich seine goldenen Ringe in den Cocktailgläsern spiegeln und er die Teller abräumt. „Die Entscheidung hier zu arbeiten, war die beste meines Lebens. Einen Tag vor dem Beginn meines Studiums kam ich auf eine saublöde Idee“, erzählt der 18-Jährige. „Zusammen mit ein paar Freunden haben wir einen wildfremden Typen auf offener Straße grundlos überfallen, einfach so.“ Im Gefängnis hat Sanders von den Homeboys erfahren und sich geschworen, die Chance zu nutzen. „Ich möchte am liebsten ein Rapper werden. Aber das kann ich nur schaffen, wenn ich sauber bleibe.“

Seine Chancen sind nicht schlecht: Mona Hobson, Verwaltungsdirektorin des Unternehmens, spricht von einer Rückfallquote von 30 Prozent — im Gegensatz zu den 70 Prozent, die normalerweise nach einer Gefängnisstrafe erneut straffällig werden. „Wir zwingen niemanden, zu uns zu kommen“, sagt Hobson, „aber diejenigen, die es tun, meinen es ernst.“