„Ich bin ein sehr treuer Mensch“
Udo Jürgens spricht über Gehirntraining, Schwimmen am Morgen und das ewige Frauenthema.
WZ: Herr Jürgens, in Ihrem Lied "Einfach ich" heißt es "Erwarte dir nicht zu viel von mir". Stellt Ihr Publikum manchmal zu hohe Erwartungen an Sie?
Udo Jürgens: Der Erwartungsdruck ist riesengroß. Die Leute hören ganz genau, was ich sage und singe. Das ist nicht wie in der Rockmusik, wo man irgendwas singen könnte, weil die Leute es ohnehin nicht verstehen. Mir ist es auch ganz wichtig, dass man mich versteht. Man will in meinen Konzerten nicht nur leicht unterhalten werden, man will ein bisschen Seelennahrung. Und ich muss den Tiefgang, den ich selber empfinde, auch vermitteln.
Jürgens: Durch Lernen. Ich fange lange vorher an und nehme mir viel Zeit, die komplexen und teilweise sehr komplizierten Texte auswendig zu lernen. Unser Beruf ist der gesündeste in Sachen Gehirntraining. Eine bessere Vorbeugung gegen Alzheimer gibt es nicht. Das ist schon mit Arbeit verbunden. Ich finde es ein bisschen widerlich, wenn Künstler auf die Bühne gehen und nicht mal die Texte kennen von den Liedern, mit denen sie viel Geld verdienen.
Jürgens: Nein, dahinter kann man nicht kommen. Aber ich habe mich natürlich extrem mit diesem Metier beschäftigt. Es gibt zwei Arten von erfolgreichen Liedern: die, die es schnell schaffen und mit dem Kalkül eines Wissenden gemacht werden. Und es gibt Songs, die Jahrzehnte überdauern. Das sind Lieder, wo es eine unglaubliche Übereinstimmung zwischen Song und Interpret gibt.
Jürgens: Ich gehe jeden Tag Schwimmen vor dem Frühstück. Dann beginne ich den Tag gegen Mittag mit einem Brunch. Und dann tue ich das, was eben angesagt ist. Wenn ich eine Komponierzeit eingeplant habe, setze ich mich ans Klavier. Oder ich rufe einen meiner Textdichter und fahre mit ihm nach Wien oder nach Portugal in mein Haus, und da bleiben wir mal zehn Tage und denken über neue Lieder nach. Und wenn ich keine Lieder mache, schreibe ich zum Beispiel ein Buch.
Jürgens: Das hat mich eine Zeitlang unheimlich gestört. Interpreten hat man schon immer unterstellt, sie seien Lieblinge der Frauen. Ich war auch ein sehr lebensfroher Typ und bin es heute noch. Ich habe viele Freundschaften, kurze und lange, gehabt und zwei Ehen geführt. Beide sind schief gegangen, aber mit beiden Frauen verbindet mich eine herzliche Freundschaft. Ich bin für alles, was ich erlebt habe, sehr dankbar. Ich fühle mich nicht als Adonis oder Spring-ins-Feld. Ich war viel allein, habe viele Chancen gehabt und bin ihnen auch erlegen. Ich bin damit im Reinen, es ist okay.
Jürgens: Ich bin ein sehr anhänglicher und treuer Mensch. Bei einem Menschen, mit dem mich mal etwas verbunden hat, bleibt das so.