Immendorff-Ausstellung in Augsburg

Augsburg (dpa) - Hitler im Malerkittel an der Bar, Lenin und Stalin beim gemeinsamen Discobesuch, das Brandenburger Tor in eine Eisscholle eingeritzt: Jahrzehntelang hat Jörg Immendorff die deutsche Kunstszene mit seinen oft grellen Interpretationen der Zeitgeschichte geprägt.

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Sein Werkzyklus „Café Deutschland“ gab einen besonderen Einblick in seine Sicht auf die Bundesrepublik. Rund 50 Arbeiten zeigt die Münchner Pinakothek der Moderne jetzt in ihrer Zweigstelle in Augsburg.

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Es ist das erste Mal seit fast zehn Jahren, dass die Werke des 2007 im Alter von 61 Jahren gestorbenen Künstlers in so geballter Form in einem Museum ausgestellt werden. „Es ist an der Zeit, über dieses herausragende Werk weiter zu streiten“, sagte die Kuratorin der Ausstellung, Corinna Thierolf. Das „ikonographische Dickicht“ der Werke Immendorffs biete auch heute noch viel Stoff für Diskussionen. „Er war eine zentrale Gestalt unter den deutschen Künstlern, seine erzählerische Bildwelt aber ist nur schwer einzuordnen.“ Ebenso wie Immendorff selbst, der Joseph-Beuys-Schüler, der ehemalige Grundschullehrer, der wegen Drogen vor Gericht stand und sich selbst mal als Kunst-Punk, mal als Malerfürst inszenierte.

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Die Arbeiten, die jetzt ein Jahr lang in Augsburg zu sehen sind, stammen aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sowie einer Privatsammlung. „40 Jahre Geschichte der Bundesrepublik haben wir in diesem Raum komprimiert“, sagte Thierolf. „Alles, was in unserer Gesellschaft diskutiert wurde, hat in diesen Werken Niederschlag gefunden.“ Die Pinakothek sieht in der Ausstellung eine Schau von „fast retrospektiver Dimension“.

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Bislang habe Immendorff in der Museumslandschaft keine so prägende Rolle eingenommen, wie vielleicht anzunehmen sei, sagte Thierolf. Der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Klaus Schrenk, sprach von einer „ungewöhnlichen Ausstellung“.

Zu der Augsburger Ausstellung ist auch ein Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen - mit sieben Essays von Tilman Spengler. Der Schriftsteller war ein Freund des Künstlers. „Die Wahrheiten, die ich beschreibe, sind anekdotische Wahrheiten, narrative Wahrheiten“, sagt er.

Eine solche ist die Geschichte „Goldkettchen“. Darin erinnert er sich an eine Autofahrt mit Immendorff, auf der er über die Hierarchie von Schafherden sinniert - und ihre Bedeutung für die deutsche Kunst. „Dabei hätte der Beuys eine Heidschnucke nicht von einem Fuchsschaf unterscheiden können“, zitiert Spengler den Malerfürsten. „Aber bei Beuys, das war ja mehr das tote Schaf, das er gebraucht hat.“

In der Geschichte erinnert Spengler sich auch an den Tag, an dem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das Porträt überreicht bekam, das Immendorff auf seinen Wunsch für die Kanzler-Galerie gemalt hatte. Und an Immendorffs tödliche Nervenkrankheit, die immer mehr Besitz von ihm ergriff. „Vor dem Tod habe ich keine Angst, nur vor dem Sterben“, zitiert er ihn. „Der Versuch, Adler zu werden, muss somit vorher abgebrochen werden.“ „Versuch Adler zu werden“ - so heißt auch die Augsburger Ausstellung.