Immer mehr Rosskastanien verfaulen

Ein Bakterium breitet sich vom Niederrhein über ganz Deutschland aus.

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Düsseldorf. Erst beginnen sie zu bluten, dann werden die Wunden in der Rinde von Pilzen befallen und schließlich geht es schnell: Eben noch prächtige Rosskastanien verfaulen bei lebendigem Stamm. Bevor ihr morsches Geäst Menschen erschlägt, müssen sie gefällt werden. Lauschige Plätze in der Stadt werden kahl, Alleen löchrig.

Der Verfall der Bäume ist das Werk von Pseudomonas syringae pv. aesculi. Das gefräßige Bakterium mit dem sperrigen Namen wurde 2007 erstmals am Niederrhein festgestellt. Aus den Niederlanden kommend, hat es sich inzwischen zur bundesweiten Plage gemausert.

Am Niederrhein wird sichtbar, wozu das tückische, wenn auch für Menschen ungefährliche Bakterium in der Lage ist: Ganze Straßenzüge und denkmalgeschützte Alleen sind ihm inzwischen zum Opfer gefallen. „Das ist in NRW schon sehr heftig“, sagt Oliver Gaiser vom Hamburger Institut für Baumpflege, das bundesweit Proben mit Bakterienschleim zusammenträgt.

Allein in Krefeld mussten bislang 454 erkrankte Kastanien gefällt werden — jede siebte in der Stadt, berichtet ein Sprecher. „In Krefeld hatten wir heftige Probleme, in Duisburg und in Viersen auch“, bestätigt Doris Törkel, Leiterin des Düsseldorfer Gartenamtes. Die Konsequenz: „An befallenen Standorten pflanzen wir keine Kastanien mehr.“

Jüngste Hiobsbotschaft: In den Baumreihen einer prächtigen Kastanienallee am Düsseldorfer Schloss Heltorf, einem beliebten Ausflugsziel, klaffen Lücken. Kahle Stümpfe stehen ohne Krone in der Landschaft.

Werden Kinder beim herbstlichen Basteln bald auf die dunkelbraun-glänzenden Kastanien verzichten müssen? „Ich habe schon die Befürchtung, dass in unseren Städten einige Lücken entstehen werden“, sagt Gaiser.

Forstwirtschaftlich spielt das Kastaniensterben dagegen keine Rolle. Die Rosskastanie, vor etwa 300 Jahren nach Westeuropa gelangt, ist ein Park- und Alleebaum. Ist er einmal befallen, gibt es bislang kein Gegenmittel. Nur in seltenen Fällen hat er genügend eigene Abwehrkraft und kann dem Bakterium trotzen. Dieses sei bereits in den 1970er Jahren in Indien registriert worden, befalle dort aber nur die Blätter, berichtet Gaiser.

Offenbar begünstige Feuchtigkeit die Ausbreitung von Pseudomonas. Wie genau sich das Bakterium ausbreitet, etwa durch Insekten oder Vögel, ist dabei noch unklar. Einiges spricht für den Wind. dpa