In Kesten geht „Bacchus“ an den Start

Kesten (dpa) - Mit Toga und Weinglas stürmt Sven Finke eine echte Frauenbastion: die der Weinköniginnen. „Ich will jedem zeigen, dass Männer genauso für diesen Job geeignet sind wie Frauen“, sagt der 25-Jährige, der an diesem Freitag (12.

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August) im Moselort Kesten in Rheinland-Pfalz zum Weinkönig gekrönt wird.

Zwei Jahre lang wird der Jurastudent als römischer Weingott „Bacchus“ für den Wein des 350-Einwohner-Ortes unterwegs sein.

„Es gibt an der ganzen Mosel aktuell keinen anderen Mann im Amt“, sagt Finke über den Weinbergen des pittoresken Ortes an der Mittelmosel. Auch deutschlandweit sei es „eine absolute Seltenheit“, dass ein Mann in ein solches Amt gewählt werde, sagt der Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI), Ernst Büscher, in Bodenheim bei Mainz.

Dass Finke in Kesten an den Start geht, war zunächst aus der Not geboren. Für die scheidende Weinkönigin Sarah I. konnte schon 2015 keine Nachfolgerin im Ort gefunden werden, sie verlängerte ihre Amtszeit daher um ein Jahr. „Ich habe vor einem Jahr gesagt: Wenn Ihr niemanden findet, mache ich Euch die Weinkönigin“, erzählt Finke. Dass daraus nun ernst wurde und der Gemeinderat ihn einstimmig wählte - damit hatte Finke allerdings nicht gerechnet. „Jetzt freue ich mich wahnsinnig.“

Für sein Amt schlüpft er in die Rolle des „Bacchus Castanidi“, des Kestener Bacchus. Im weißen Leinengewand mit roter Samtstola und Lorbeerkranz. „Wir haben hier die Figur des Bacchus zum König gemacht, weil der Ort römische Wurzeln hat“, erzählt Finke, der seit rund fünf Jahren mit seinem Partner in Kesten lebt. Und am liebsten die Rebsorte Bacchus trinkt.

„Die Rolle des Bacchus ist mir wie auf den Leib geschnitten: Ich esse gerne, ich trinke gerne und bin genauso lebensfroh.“ Auf das Amt des Weinkönigs hat sich Finke eifrig vorbereitet: Unter anderem besuchte er ein Seminar für Weinprinzessinnen, wo er in Wissen und Auftreten geschult wurde. „Ich konnte das genauso gut wie die Frauen.“

Als gebürtiger Moselaner habe er schon als Kind viel über Wein gelernt. Heute habe er auch einen eigenen Weinberg mit Dornfelder. Zudem haben ihn Freunde und Winzer im Ort reichlich eingewiesen. „Ich möchte viel lernen. Ich gehe ja nicht als Allwissender in das Amt.“

Bisher habe es in Kesten immer nur Weinköniginnen gegeben, sagt Ortsbürgermeister Michael Beer. „Finke trägt dazu bei, den Weinort Kesten bekannter zu machen“, sagt er. Auf einen „Botschafter des Weins“ zu verzichten sei für das Dorf nicht infrage gekommen. „Wir wollen jemanden haben, der unseren Wein präsentiert.“ Wein sei ein Hauptwirtschaftszweig, es gebe noch 25 Haupterwerbsbetriebe im Ort. Die Resonanz im Dorf auf den neuen Weinkönig sei durchweg positiv gewesen, sagt Beer.

Zwischen 15 bis 20 Termine im Jahr warten nun auf den „Bacchus“: Hoffeste im Dorf und Weinfeste in an den angrenzenden Ortschaften. Und danach? „Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich als Weinkönig für das Anbaugebiet Mosel bewerbe“, sagt Finke. „Die Mosel ist moderner geworden, deshalb denke ich, kann man jetzt auch Männer ranlassen.“

Während es in Deutschland den einen oder anderen Weinprinzen, Weinkönig oder Bacchus in Ortsgemeinden schon mal gegeben hat, wäre die Bewerbung eines Mannes zur Wahl eines Gebietsweinkönigs - wie für die Mosel - eine Neuheit, sagt DWI-Sprecher Büscher. Da werde sich dann die Frage stellen, ob er zugelassen werde. Bei einer Wahl zur deutschen Weinkönigin hätte er schlechte Karten: Da lassen die Richtlinien derzeit keine Männer zu, sagt Büscher.

Nach Kesten will „Bacchus“ Finke erstmal Hamburg „erobern“: Auf dem St. Pauli Winzerfest werde er am 19. August von Dragqueen und der dortigen Weinkönigin Olivia Jones zum Weinkönig ernannt. „Es soll ein Zeichen für Gleichberechtigung sein“, sagt Finke über den Ehrentitel, den er ein Jahr lang tragen wird. St. Pauli stehe wie kein anderer Stadtteil für Vielfalt, Toleranz und buntes Treiben, sagt die Sprecherin der Spielbudenplatz Betreibergesellschaft, Nina Kampe, in Hamburg. Als man von Finke als homosexuellen Weinkönig gehört habe, habe man sein besonderes Engagement wertschätzen wollen.