Interview: „Ich trinke gar keinen Alkohol“

Schauspielerin Christiane Hörbiger spricht über ihre Rolle als Trinkerin, in der sie am Dienstagabend im Ersten zu sehen ist.

Berlin. Ungeschminkt, verwahrlost, verwirrt: In ihrem neuen Film zeigt sich Christiane Hörbiger von einer ungewohnten Seite. In dem Alkoholikerdrama „Wie ein Licht in der Nacht“ (20.15 Uhr, ARD) verkörpert die 72-Jährige nun die Ex-Immobilienmaklerin Carla, die im Ruhestand völlig vereinsamt und zur Trinkerin wird.

Frau Hörbiger, das Publikum kennt Sie aus vielen Fernsehrollen als Grande Dame, nun spielen Sie eine Alkoholikerin. Hatten Sie denn gar keine Scheu, diese extreme Rolle anzunehmen?

Christiane Hörbiger: Nein, gar nicht, das war eine Traumrolle für mich. Das Thema hat mich zudem schon lange interessiert, und ich hoffe, dass der Film auch eine Warnung für die sogenannten Gesellschaftstrinker ist. Er zeigt das gesellschaftliche Trinken als eine schleichende Gefahr: Es kann zum Hineinrutschen in die Abhängigkeit führen und sehr böse ausgehen.

Alkohol gehört bei vielen Anlässen einfach dazu. Wer das Glas Prosecco dann dankend ablehnt, stößt oft auf Unverständnis.

Hörbiger: Ich persönlich habe diese Erfahrung noch nicht gemacht, aber ich bin ja auch Schauspielerin. Wissen Sie, da denken die meisten Leute: Schauspieler sind sowieso ein bisschen eigenartig, die müssen sich immer so viel Text in ihrem Hirn merken und dazu auch noch immer gut aussehen — deshalb wundert sich bei mir niemand, wenn ich nichts trinke.

Trinken Sie grundsätzlich nichts? Hat Sie etwa der Film dazu bewogen?

Hörbiger: Ich trinke gar keinen Alkohol, aber das hat mit dem Film nichts zu tun. Ich trinke abends mein alkoholfreies Bier und bin glücklich damit.

Wie haben Sie als Abstinenzlerin sich auf die Rolle der Trinkerin vorbereitet?

Hörbiger: Ich habe Menschen beobachtet, die trinken, vor allem natürlich Frauen. Weniger in Bars, da werden Sie mich selten finden, aber man kann das auch in Hotelhallen oder in der Straßenbahn sehen, im Bus oder im Flieger — gerade da sieht man es besonders deutlich.

Diese Menschen, die glauben, sich nach einem harten Tag mit einem Drink belohnen zu können und dann ein bisschen aggressiv werden, etwa zur Stewardess. Es ist faszinierend, aber natürlich auch erschreckend, wie sehr sich diese Leute durch den Konsum von Alkohol verändern. Ich habe mir diese Figur anhand von Beobachtungen erarbeitet.

Die zentrale Szene des Films spielt in einer Entzugsklinik: Da ist Carla ganz unten, liegt verwirrt im Delirium.

Hörbiger: Natürlich hatte ich mir vorher Gedanken gemacht, wie sich so jemand fühlt, wenn er vollkommen allein ist mit seinen Lüsten, seinen Schwächen, mit allem, was im Leben daneben gegangen ist — ohne greifbaren Trost in der Nähe. Da erwacht ein wahnsinniger Zorn aufs Leben und sich selber.

Es geht in dem Film aber auch um die Ursachen von Alkoholabhängigkeit.

Hörbiger: Ja, Carla war als erfolgreiche Immobilienmaklerin eine Workaholic und hat ihr soziales Umfeld vernachlässigt. Im Ruhestand überfällt sie dann die Einsamkeit, an der sie selber Schuld ist. Zu ihrem Glück trifft sie einen anonymen Alkoholiker, den Klaus J. Behrendt ganz wunderbar spielt.

Durch ihn wird sie gerettet. Es war mir sehr wichtig, dass der Film eine positive Aussage hat. Die Botschaft ist, dass man auf andere Menschen zugehen und ihnen helfen soll: Kümmere dich um deinen Nächsten, der noch schlechter dran ist als du — hilf dem anderen, dann hilfst du dir selber.