Israel verbannt Magermodels gesetzlich
Tel Aviv (dpa) - Israel geht gegen falsche Schönheitsideale vor, die vor allem von der Model- und Modebranche transportiert werden und bei vielen Teenagern zu Essstörungen führen.
Seit Januar ist ein Gesetz in Kraft getreten, das untergewichtigen Models die Arbeit verbietet. Auch Fotografen, Agenturen und Magazine werden in Verantwortung genommen. Israel ist damit das einzige Land weltweit, das mit einem solchen Gesetz gegen die makabren Wunschvorstellungen einer ganzen Industrie vorgeht.
In anderen Ländern wird es immer noch der Branche selbst überlassen, wie sie damit umgeht. So haben sich etwa in Frankreich, Italien, Spanien und auch Deutschland einzelne Verbände, Designer und Veranstalter von Modewochen Selbstverpflichtungen auferlegt und untergewichtige Models verbannt. Auch die Magazine „Vogue“ und „Brigitte“ haben zugesagt, auf Magermodels zu verzichten.
Viele Modeschauen in Paris, London und New York zeigen aber nach wie vor auf Models, deren Markenzeichen ausgemergelte Körper sind. „Das sind keine Frauen, sondern Marionetten“, urteilt Adi Barkan, früher jahrelang Modefotograf überall auf der Welt und seit 1998 Inhaber einer Modelagentur in Tel Aviv.
Er findet den Schlankheitswahn gefährlich: „Es gibt einen Unterschied zwischen dünn und zu dünn: Das ist der Unterschied zwischen Leben und Tod.“ Barkan weiß, wovon er spricht. 2007 starb Hila Elmalich, ein ehemals erfolgreiches, israelisches Model, in seinen Armen an den Folgen ihrer Magersucht.
Vor rund drei Jahren hat Barkan deshalb mit der Unterstützung von Rachel Adatto und Danny Danon, zwei Abgeordneten der Knesset, eine Gesetzesinitiative gestartet. Demnach sollen Models mindestens den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Body-Mass-Index (BMI) 18,5 haben, andernfalls können Fotos von ihnen nicht zu kommerziellen Zwecken veröffentlicht werden. Ein Attest, das alle drei Monate vom Arzt erstellt wird, dient als Nachweis.
Arbeitgeber in der Modeindustrie wiederum sind verpflichtet, nur solche Models zu beschäftigen. Andernfalls droht ihnen eine empfindliche Geldstrafe. Werden Fotos manipuliert, muss darauf hingewiesen werden. Das alles gilt auch für Modefirmen aus dem Ausland.
Mit Beginn dieses Jahres ist das Gesetz in Kraft getreten. Es musste unanfechtbar formuliert werden, wie die Abgeordnete und Ärztin Adatto erläutert. „Es ging schlicht um freiheitliche, demokratische Grundrechte, die wir damit berühren.“ Zum Beispiel darum, dass Arbeitgeber ihre Ansprüche an ihre Arbeitnehmer selbst festlegen können. Zudem sei das Gewicht ganz einfach eine persönliche Angelegenheit.
Ihr Ziel war auch, den Zusammenhang zwischen dem krank machenden Schönheitsideal der Modeindustrie und magersüchtigen Teenagern herzustellen, macht Adatto deutlich. „Das Gesetz ist ein Anfang, Kinder und Jugendliche zu schützen.“ In Israel sterben jährlich rund 35 Menschen an Anorexie (Magersucht), und laut Gesundheitsministerium werden jährlich bei etwa 1500 Kindern und Jugendlichen Essstörungen diagnostiziert. Mit 30 Prozent ist die Zahl der Teenager, die sich zu dick finden und Diäten machen, höher als im internationalen Vergleich.
Dass die Mädchen alles tun, um in einer Modelagentur gelistet zu werden, hat Barkan, Vater einer 13-jährigen Tochter, oft genug selbst erlebt: „Weil es die Agenturen verlangen, nehmen sie noch mal ein paar Kilo ab - obwohl sie schon dünn sind.“
Sein Engagement gegen Magersucht bringt ihm auch Kritik ein - von Kollegen und von bekannten Models in Israel wie Adi Neumann. Sie nannte in Medien das Gesetz sinnlos, weil man es umgehen könne: „Ich kann mich auf das gewünschte Gewicht bringen, indem ich vor dem Wiegen einfach Wasser trinke.“ Und weil es Frauen wie sie selbst gebe, die von Natur aus sehr schlank seien und den BMI nicht erreichten. Besser wäre ein Attest, das den Gesundheitszustand wiederspiegle.
Adatto widerspricht: „Weniger als fünf Prozent aller Frauen sind von Natur aus so dünn.“ Und: „Wir wollen nicht nur die rund 300 in Israel arbeitenden Models schützen, sondern vor allem gegen die Magersucht und falschen Idealvorstellungen bei Jugendlichen vorgehen.“