Mit 91 Jahren Italienischer Komponist Ennio Morricone gestorben
Rom · Die Filmwelt lag ihm zu Füßen: So gut wie alles, was Ennio Morricone musikalisch anpackte, wurde zum Erfolg. Der Italiener war über 50 Jahre lang ein Garant für Ohrwürmer - von Action geladenen Spaghetti-Western bis zu stillen Liebesdramen.
Gegen Ende seiner langen Karriere kehrte Ennio Morricone noch einmal zu den Anfängen zurück: zum Western. Bravourös verwandelte er die Stimmung des Schnees in Quentin Tarantinos „The Hateful 8“ in mächtige Violinen- und Fagott-Töne und gewann dafür im hohen Alter von 87 Jahren erstmals den Oscar für die beste Filmmusik. Dennoch: Der Name des gebürtigen Römers bleibt für immer unauslöschlich mit Sergio Leones Italo-Western verbunden.
Auch mehr als 50 Jahre nach der Premiere von „Spiel mir das Lied vom Tod“ läuft es den Zuschauern eiskalt den Rücken herunter, wenn Charles Bronson in leinwandfüllender Großaufnahme zur Mundharmonika greift und seinen Rachefeldzug gegen Henry Fonda startet. Am Montagmorgen starb Morricone im Alter von 91 Jahren in Rom - und die Filmwelt von Cinecittà bis Hollywood trauert.
Die Musik hatte der Mann mit der markanten Brille wohl in die Wiege gelegt bekommen. Es heißt, der junge Morricone habe schon als Sechsjähriger zu komponieren begonnen. Er schuf auch Werke für Kammermusik und Gesangsstücke für Chöre - aber die Soundtracks für Spielfilme weltbekannter Regisseure zu schreiben war seine wahre Passion. Von Brian De Palma („The Untouchables“) über Roman Polanski („Frantic“) und Barry Levinson („Bugsy“) bis hin zu Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“, „Die Legende des Ozeanpianisten“) hat er mit den ganz Großen des internationalen Films zusammengearbeitet.
Sein Talent und Einfühlungsvermögen war so groß, dass dem Publikum manchmal die Melodien mehr in Erinnerung blieben als die Handlung des Films - oder dass beide so genial miteinander verwoben waren, sich so unglaublich geschickt ergänzten, dass die Musik ein ganz wesentlicher Bestandteil der Story wurde. Man denke an das preisgekrönte Drama „The Mission“ (1986): Erst durch die wunderschönen Oboen-Klänge, die Pater Gabriel alias Jeremy Irons mitten im brasilianischen Dschungel dem Instrument entlockt, gelingt es ihm, Kontakt zur Volksgruppe der Guaranì aufzunehmen. Morricone brachte die zauberhafte Komposition seine zweite Oscar-Nominierung ein.
Jedoch sollte er die begehrte Statue trotz aller Auszeichnungen, von Golden Globes über BAFTAS bis hin zum Grammy, erst 2016 in Händen halten - wenn man einmal vom Oscar für sein Lebenswerk absieht, den er 2007 verliehen bekam. Beide Statuen widmete er seiner Frau Maria Travia, mit der er seit 1956 verheiratet war und mit der er vier Kinder hatte. „Das ist ein Akt der Gerechtigkeit. Während ich komponierte, hat sie sich für die Familie und für unsere Kinder aufgeopfert“, erklärte er. „50 Jahre lang haben wir uns nur wenig gesehen: Entweder war ich bei meinem Orchester oder in meinem Studio, um zu komponieren.“
Gleichzeitig war Travia auch seine wichtigste Kritikerin, oft durfte sie sich seine Filmmusiken anhören, noch bevor er sie den Regisseuren vorstellte. „Sie hat keine technische Kenntnis von Musik. Sie urteilt deshalb so, wie es das Publikum täte - und dabei ist sie sehr streng“, erzählte Morricone einmal.
Über 500 Filmmusiken hat der am römischen Konservatorium Santa Cecilia ausgebildete Maestro geschrieben. Als „Liebhaber ernster Musik“ bezeichnete er sich selbst. So war es ihm selbst bei den Soundtracks für Sergio Leones „Spaghetti-Western“ - darunter „Für eine Handvoll Dollar“ und „Zwei glorreiche Halunken“ - gelungen, die Schicksale der gescheiterten Gestalten in dramatische Töne zu verwandeln.
Die Kooperation der Freunde, die sich schon aus Kindertagen kannten, war ein seltener Glücksfall für das Kino. „In die Musik für Sergios Western-Filme habe ich auch Peitschenhiebe, Hammerschläge und Glocken eingebaut, sowie die menschliche Stimme, die ich als Instrument einsetze - eine Stimme, die singt, die pfeift, die sich räuspert, die mit der Zunge schnalzt.“ In puncto Kreativität setzte sich Morricone selbst nie Grenzen. Wichtig sei letztlich nur eins, meinte er einmal: „Dass der Komponist sich immer selbst treu bleibt.“