Jagdgesetz in NRW: Zwischen Ökologie und Ideologie
Seit einem Jahr ist die Novelle in Kraft. Öko-Jäger und Naturschützer sind zufrieden, der Landesjagdverband hingegen klagt in Karlsruhe.
Düsseldorf. Ist das Ökologische Jagdgesetz, das in Nordrhein-Westfalen vor einem Jahr in Kraft getreten ist, ökologisch oder ideologisch geprägt? Darüber herrscht weiter Uneinigkeit — und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Der Landesjagdverband (LJV), der mit 64 000 Mitgliedern in NRW einen Großteil der Jägerschaft vertritt, versucht, auf mehreren Wegen zu ändern, was nun geltendes Recht ist. Er hält das rot-grüne Werk für ideologisch motiviert — und damit an vielen Stellen für falsch. Neben mehreren Fachklagen hat der Verband diese Woche gleich zwei Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg gebracht und sammelt weiter Stimmen für eine Volksinitiative.
Der Nabu (Naturschutzbund Deutschland) und die LJV-Konkurrenz vom Ökologischen Jagdverband (ÖJV) — weniger als 200 Mitglieder in NRW — kommt im Jahr eins nach der Novellierung hingegen zu einer etwas anderen Bilanz. Zwar sei das Landesjagdgesetz ein Kompromiss, im bundesweiten Vergleich aber ein Meilenstein, sagt Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Nabu in NRW. Vor allem die Reduzierung der Liste der jagdbaren Tiere von mehr als 100 auf nunmehr 27 Arten sei von „herausragender Bedeutung“.
Reduzierung der jagdbaren Arten hat laut Nabu kaum Auswirkungen
Dies werde sich zwar bei der Zahl der Abschusszahlen kaum bemerkbar machen, da „alle jagdlich relevanten Arten auch weiterhin geschossen werden dürfen“. Aus Nabu-Sicht ist es aber ein Erfolg, dass eben eine ganze Reihe von Arten nicht mehr bejagt werden dürfe, die bislang vor allem als „Schießobjekte“ genutzt worden seien, etwa Blässhühner und Möwen. Auch für die Waldschnepfe darf nun in NRW niemand mehr den Finger krumm machen; besonders die Öko-Jäger vom ÖJV begrüßen das Ende der Trophäenjagd. Man könne das Vögelchen zwar verspeisen, sagt Hartmut Weigelt, Chef des NRW-Verbandes. „Zu verwerten ist es aber eigentlich nur ausgestopft. In meiner Gegenwart hat noch niemand eine Waldschnepfe gegessen.“
Sowohl ÖJV als auch Naturschützer begrüßen, dass durch das neue Jagdrecht nun auch Privatleute die Möglichkeit haben, ihren Grund und Boden vom Jagdtreiben auszunehmen. Grundeigentümer können nun nicht mehr verpflichtet werden, gegen ihren Willen die Jagdausübung auf eigenen Grundstücken zu dulden. Laut Tumbrinck müssten dafür aber ausschließlich ethische Gründe angeführt werden, die auch nachgewiesen werden müssten. „Das erinnert mich an die frühere Gewissensprüfung für Kriegsdienstverweigerer.“
Mehr als 150 Anträge in NRW zur Jagdbefreiung von Grundstücken
Er bemängelt zudem, dass Antragsteller einen wahren „Spießrutenlauf“ mit teilweise hohen Gebühren und anderen Verwaltungshürden hinter sich bringen müssten. „Bei der nächsten Novellierung muss der Gesetzgeber hier zwingend nachbessern.“ Bisher wurden in NRW 151 Anträge gestellt (Stand: Oktober 2015) — in den Kreisen Mettmann und Neuss waren es laut Ministerium zwei und fünf Anträge, in Krefeld und Mönchengladbach jeweils einer, in Wuppertal zwei.
Öko-Jagdverband bringt eine Steuer für Katzenbesitzer ins Spiel
Viele andere Neuregelungen der Novelle haben sich laut Nabu hingegen bewährt. Dazu gehöre neben dem Verbot von Totschlagfallen auch das lange und heiß diskutierte totale Abschussverbot für Katzen. Zwar töteten Katzen nach wie vor viele Vögel, die ökologischen Auswirkungen auf den Naturhaushalt seien aber überschaubar. Im Jahr 2014 wurden noch knapp 8000 streunende Katzen in NRW von Jägern erlegt. Tumbrinck plädiert für eine Zwangskastration und Chippflicht, der Nabu will die Tierhalter stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Ökologische Jagdverband spricht sich dagegen für eine Katzensteuer aus, um eine ausufernde Population mit negativen Auswirkungen für Bodenbrüter einzudämmen. Aber selbst der Nabu hält das nicht für praktikabel.