Geständnisse „Jetzt rede ich“ - Wenn Promis auspacken

Berlin (dpa) - Die Kulisse: eine Villa in London. Auf der Gästetoilette liegt ein Joint-Stummel, der private Koch hat sich eine Peking-Ente vorgenommen, der Wein fließt in Strömen. So schildert es die Zeitschrift „Rolling Stone“, die zu Besuch bei Johnny Depp ist, dem ins Straucheln geratenen Hollywoodstar, der eine hässliche Trennung hinter sich hat.

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Der 55-Jährige hat einiges zu erzählen. Es geht viel um Geld und millionenschwere Klagen. Depp hat demnach Galgenhumor, wenn ihm Verschwendung vorgeworfen wird: „Es ist beleidigend, zu sagen, ich hätte 30 000 Dollar für Wein ausgegeben.“ Es sei viel mehr gewesen.

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Das große Auspack-Interview ist ein bekanntes Muster aus der Welt der Stars, der Reichen und Schönen, der Süchtigen und Geläuterten. Alkohol, Affären, Scheidung, Doping, peinliche Auftritte: „Jetzt rede ich“ ist die Devise bei solchen Berichten. Je bekannter, desto mehr Klicks im Netz.

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Gerade war es Roseanne Barr, die sich unter Tränen für einen rassistischen Tweet entschuldigte, der sie ihre Fernsehshow gekostet hat. In den USA sitzen Promis wie der Ex-Radprofi Lance Armstrong bei Oprah Winfrey, wenn sie den kollektiven Beichtstuhl wollen.

In Deutschland zieht der Name Boris Becker. „Seit über 30 Jahren lebe ich öffentlich. Dafür zahlt man einen Preis“, sagt Becker in einer ARD-Doku. Nach der Trennung machte sich Lilly Becker im „Stern“ Luft. „Der Schmerz ist groß, und es tut unglaublich weh“, sagte sie. Ex-First-Lady Bettina Wulff packte in einem Buch aus, wie es „Jenseits des Protokolls“ war. Jenny Elvers sprach offen über Alkohol. Solche Schritte hallen lange nach. Das Internet vergisst so gut wie nichts.

Legendär ist das Interview, das Prinzessin Diana 1995 im Fernsehen gab: „Nun, wir waren zu dritt in unserer Ehe. Das war ein bisschen viel.“ Das sagte sie auf die Frage, ob sie Camilla für einen Faktor im Scheitern ihrer Ehe mit Prinz Charles halte.

Geläuterte Musiker und Schauspieler schreiben oft über Sex, Drugs und Rock 'n' Roll. Robbie Williams ist dafür mit seiner Biografie „Feel“ ein Paradebeispiel. Darin heißt es: „Am Anfang tut man alles, um ein Star zu werden, und den Rest seiner Karriere verbringt man damit, als Star zu überleben.“ Williams erzählt vom Sex mit Groupies, Sex mit Stars, Sex beim Videodreh und Sex mit Prostituierten, berichtet von seiner Drogen- und Alkoholsucht und lästert auch ein bisschen über Kollegen.

Gerne geht es in solchen Büchern philosophisch zu. „Auf einer Leiter, deren Sprossen aus Niederlagen gebaut sind, kann man auch nach oben klettern“, schreibt der Musiker Konstantin Wecker. Er nennt sich in seinem Buch einen „Herdplattenanfasser“, der alles selbst durchleben und erleiden musste. Der früher wilde Heiner Lauterbach ist mit seinen Buchtiteln programmatisch: „Nichts ausgelassen“ oder „Man lebt nur zweimal“.

Zu alt ist man fürs Beichten nie. Helmut Schmidt war 96, als er hanseatisch dezent davon berichtete, dass er seiner Loki in 68 Jahren Ehe nicht immer treu war. „Was ich noch sagen wollte“, hieß das Buch. Sie bot ihm nach seiner Schilderung die Trennung an. Für ihn eine ganz und gar abwegige Idee. „Es tut mir heute noch weh, wenn ich an jenen mehr als vier Jahrzehnte zurückliegenden Tag denke.“ Am Ende überwanden sie die Krise.

Manchmal wird eine persönliche Geschichte zum Theaterstück, so wie bei „Panikherz“. Der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt darin von seinen Krisen und wie Udo Lindenberg zum tröstenden Freund wurde. „Was machst'n immer so, Stuckiman?“, sagt Lindenberg zu ihm.

Johnny Depp erzählte dem „Rolling Stone“ von einer akuten Depression, die er bekommen habe, als sein persönliches und sein geschäftliches Leben gleichzeitig zusammengebrochen sei. Für seine Memoiren setzte er sich an die Schreibmaschine. „Ich schenkte mir am Morgen Wodka ein und fing an zu schreiben, bis meine Augen so voller Tränen war, dass ich die Seite nicht mehr sehen konnte.“

Was jemanden wie Depp antreibt, sich so zu öffnen? „Man sucht Hilfe, man möchte sich mitteilen“, erklärt der Psychologe Laszlo Pota. „Das ist ein Hilferuf.“ Er sieht in Depp einen eigentlich sozialen Menschen, der in einer Sackgasse steckt. Die mediale Beichte hat seiner Meinung nach für Prominente generell den Vorzug, dass sie sich dann nicht damit beschäftigen, was bei ihren psychischen Problemen auch in ihrer eigenen Verantwortung liegt. Das würde in einer Therapie zutage kommen. „Ich würde solchen Leuten eine Gruppentherapie empfehlen.“