Jüdische Gemeinde fährt beim Rosenmontagszug mit

Das Engagement von Düsseldorfer Juden ist in der deutschen Karnevalsgeschichte eine Premiere. Und ein Bekenntnis zur Freiheit.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf.Michael Szentei-Heise ist Direktor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Dies seit vielen Jahren, weswegen er das rheinische Brauchtum bestens kennt und den Rosenmontagszug in jedem Jahr aufmerksam verfolgt, weil er den politisch scharfen Ton des Düsseldorfer Wagenbauers Jacques Tilly schätzt. Als der Zug im vergangenen Jahr an ihm vorbeidefilierte und ein Wagen mit Heinrich Heine auftauchte, rief er Freunden zu: „Heine gehört doch zu uns, da müssen wir uns ’was überlegen.“ Mit diesem Anspruch trat er vor den Gemeindevorstand und sehr bald fand ein erstes Treffen mit Tilly statt, der sich sofort bereit erklärte, einen Wagen für die Gemeinde zu bauen. Dass Heinrich Heine das Motiv sein würde, stand außer Frage. „Wir waren uns mit Jacques Tilly einig, dass ein streitbarer und kritischer Geist wie Heine bestens darauf verweisen kann, was wir heute in der Politik brauchen, da wir es mit Leuten wie Erdogan und Orbàn zu tun haben.“

Tilly fertigte daraufhin einen ersten Entwurf — verwarf ihn jedoch wieder mit der Begründung, es gebe beim Zug viele Bezugspunkte zu Despoten, da könne der Heine-Wagen leicht untergehen, wenn er dasselbe Thema verfolge. „Wir haben uns dann stattdessen für eine positive Besetzung entschieden“, sagt Szentei-Heise. Ein Zeichen der Zugehörigkeit zu Düsseldorf wolle man mit dem Wagen setzen und mit Hilfe von Heinrich Heine ein Plädoyer für die Freiheit formulieren, was ja der Kern des Karnevals ist.

Der Wagen steht bereits fix und fertig in der Wagenbauhalle, die bis zum großen Tag am 12. Februar unter Verschluss gehalten wird. Man darf davon ausgehen, dass es das erste Mal in der deutschen Geschichte des Karnevals der Fall ist, dass sich eine Jüdische Gemeinde in dieser Weise einbringt. Eine mutige Entscheidung in Zeiten, in denen europäische Juden vor wachsendem Antisemitismus flüchten und nach Israel auswandern; vor allem Frankreich hat in dieser Hinsicht ein massives Problem. Mit Sicherheitsvorkehrungen, die einem solchen Klima entsprechen, ist also auch in Düsseldorf zu rechnen, konkret werden möchte Szentei-Heise jedoch nicht.

30 000 Euro waren nötig, um den Heine-Wagen realisieren zu können. 15 000 Euro vermochte die Gemeinde selbst aufzubringen, die andere Hälfte kam über Spenden zusammen. Neben Politikern und Vertretern aus der Wirtschaft meldete sich auch der frühere Englischlehrer von Szentei-Heise: Er wolle sich an der Aktion beteiligen.

Eine Tonne koschere Kamelle hat die Gemeinde aus Israel geordert. Über das belgische Lüttich, wo sie aktuell gelagert werden, kommen sie in den nächsten Tagen nach Düsseldorf. Bleibt also nur noch die Frage nach dem Humor. Ist die karnevalistische Vergnüglichkeit der Rheinländer nicht zu platt für den tiefsinnigen jüdischen Humor? „Das ist für uns kein Problem“, sagt Szentei-Heise. „Wir können auch platten Karnevalshumor mit jüdischem Intellekt füllen.“