Jürgen Fliege steht unter Esoterik-Verdacht
Düsseldorf (dpa) - Vom Fernseh-Zugpferd zum „schwarzen Schaf“ der Gemeinde: Der geschäftstüchtige Pfarrer Jürgen Fliege (64) hat mit flapsigen Äußerungen und fragwürdigen Produkten bei der Evangelischen Kirche im Rheinland den Geduldsfaden überspannt.
Die Kirche teilte am Freitag in Düsseldorf mit, sie habe ein Disziplinarverfahren gegen ihren prominenten „Pfarrer im Ruhestand“ eingeleitet. Es bestehe der Verdacht, dass Fliege gegen seine Amtspflichten verstoßen habe, erklärte ein Kirchensprecher. Zu Inhalten wollte sich die Kirche nicht äußern, weil es sich um eine Personalangelegenheit handele.
Die Kirche beruft sich auf das Pfarrdienstgesetz, das die Pfarrer auch in ihrer Lebensführung ihrem Auftrag verpflichtet. Bei Verstößen können etwa die Bezüge der Kirchenmänner gekürzt werden. Fliege bedauerte den Schritt und kritisierte, dass die Kirche zuvor kein Gespräch mit ihm gesucht habe.
Irritationen hatte der 64-Jährige in der Kirche unlängst mit der Vermarktung einer „Fliege-Essenz“ ausgelöst. Für knappe 40 Euro zuzüglich Versandkosten waren 95 Milliliter einer Flüssigkeit zu kaufen, die der Kirchenmann durch Handauflegen „mit Trost und Kraft“ aufgeladen haben will. Die Essenz „schenkt unserer Seele ordnende Informationen“ - versprach die Werbung. Dies hatte bereits die Hamburger Sektenexpertin Ursula Caberta auf den Plan gerufen: Fliege sei vom evangelischen Pastor zum Esoteriker mutiert, kritisierte sie.
Aus der Kirche war deswegen der Vorwurf laut geworden, Fliege verkaufe den Segen Gottes. Der so Gescholtene konterte am Freitag, die Kirche handele nicht anders. „Der Segen Gottes ist kostenlos. Das Weitergeben des Segens durch die Kirche aber nicht. Segen ist in meiner Kirche selbstverständlich käuflich zu erwerben, auch wenn es ihr schwer fällt, das zu sehen und dann dazu zu stehen“, teilte Fliege der dpa in seiner Stellungnahme mit.
„Ohne steuerpflichtiges Mitglied in der Kirche zu sein, gibt es keinen kirchlichen Segen bei Trauung und auch keine Beerdigung.“ Er habe mit seiner Essenz „segensreiche Wirkung“ verkauft. „Das ist überall in der Welt gang und gäbe. Für eine deutsche Kirche aber eher ungewohnt. Denn unsere Kirchen sind, wie selbst der Papst erkannte, im Kirchensteuerparadies verfettet.“
Außerdem soll Fliege gegenüber einem jungen Brautpaar geäußert haben, Gott und die Kirche seien „erst mal scheißegal“, es komme auf die Seele an. Fliege erklärte am Freitag, ein Journalist habe die Vertraulichkeit des Seelsorgegesprächs verletzt. „Ich erstaune, wie skrupellos meine Kirche auf das Wort eines bezahlten Spötters setzt, der mein Vertrauen missbraucht.“
Der 64-Jährige hat für Ende des Monats zu einem Kongress, dem dritten „Wörishofener Herbst“ geladen und dazu auch Schamanen, Engelsredner und Wunderheiler eingeladen. Auch deswegen hagelte es Kritik. Fliege wehrte sich, er wolle auch mit Andersgläubigen im Dialog bleiben. Der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hatte seine Teilnahme an dem Kongress abgesagt.