Jutta Neukirchen: Vor 45 Jahren aufs Ei gekommen
Jutta Neukirchen (70) aus Hennef sammelt Ostereier aus aller Welt — weil jedes einzelne Stück eine Geschichte erzählt.
Hennef. Frisch poliert sind sie und sorgfältig geölt. In den vergangenen Tagen, ja Wochen hat Jutta Neukirchen Hutschachtel um Hutschachtel geleert und fragile Kunst ans Tageslicht gebracht. Und zu hunderten ruhen diese Schmuckstücke heute ausgebreitet auf einem langen Tisch in ihrem Fachwerkhaus: Die 70 Jahre alte Frau aus Hennef sammelt Ostereier aus aller Welt — aber nicht, weil sie bloß schön sind.
Sondern weil sie Geschichten erzählen: „Das Ei hat schon in vorchristlicher Zeit eine immense Bedeutung, zumeist als Symbol für die Geburt und den Tod“, schildert die studierte Kunsthistorikerin. „Der Tannenbaum zum Weihnachtsfest ist dagegen sehr viel jünger.“ Allein in China seien schon vor mehr als 1000 Jahren Eier gefärbt worden, rote etwa bezeugten die Geburt eines Kindes.
Aufs Ei gekommen ist Jutta Neukirchen indes durch ihre Mutter Martha, die bis ins hohe Alter von 90 Jahren Eier gefärbt und verschenkt hat — egal, ob es gerade Winter war oder Sommer. Das Handwerkszeug der Mutter hat die Tochter bis heute behalten: eine Stricknadel, eine Feile und Blasebalg haben einst dabei geholfen, dass aus jedem noch so unscheinbaren Ei ein Kunstwerk werden konnte. Farbenfroh sind sie allesamt.
„Das Hervorholen dieser Sammlung hat bei mir viele Gefühle geweckt“, gesteht Jutta Neukirchen, die selbst seit bald 45 Jahren Eier aus aller Welt sammelt. Dabei interessiert sie sich vor allem für die Zier-Technik: „Dieses Ei stammt zum Beispiel aus der früheren Tschechoslowakei“, sagt Jutta Neukirchen und greift nach einem Enten-Ei: „Erst wurde es rot gefärbt, dann getrocknet und schließlich schwarz gefärbt. Dann wurde ein Muster in die Schichten gekratzt.“ Doch erst unter der Lupe offenbart diese Maßarbeit ihre wahre Pracht.
Überhaupt sind es die Eier aus dem östlichen und süd-östlichen Europa — und da besonders aus den slawischen Ländern —, die stets ins Auge fallen. So malen die Ungarn etwa Muster in kunterbunten Farben auf die zerbrechliche Überfläche. Eine ruhige Hand muss dagegen haben, wer in Polen ein Osterei verziert: Um ein Ei sind Wollfäden gewickelt, um ein anderes windet sich ein feines Kupfergeflecht und auf wieder einem anderen hat das Mark einer Binse als Druckmuster gedient. Heiligenfiguren sind unterdessen in Russland beliebte Ostermotive, die auf Gänse- oder Straußen-Eier gemalt werden.
Besonders stolz ist Jutta Neukirchen aber auf eine Nachbildung der Schwarzen Madonna von Tschenstochau (Polen), auch da findet sich ein Ei über der Statuette: „Vermutlich ist es in diesem Fall ein Symbol für die Fruchtbarkeit“, glaubt Jutta Neukirchen.
Übrigens: Wer sagt, dass er ein Fabergé-Ei besitze und in der Wohnzimmer-Vitrine hüte, der muss nicht unbedingt ein weltweit gesuchter Kunstdieb sein. „Von 1989 bis 2009 besaß eine Pforzheimer Juwelierwerkstatt die alleinige Erlaubnis, den Stempel Fabergés zu benutzen“, berichtet Jutta Neukirchen. Als „Fabergé-Eier“ haben es prunkvolle, mit Juwelen besetzte Eier gebracht, die der russische Zar Nikolaus II. an Persönlichkeiten zu verschenken pflegte. Sie wurden von Carl Peter Fabergé in den Jahren zwischen 1885 und 1917 gefertigt. Doch eine solche Preziose hat die Mutter ihrer Tochter aber nicht hinterlassen.