Kachelmanns zornige Abrechnung - sein Buch
Der Wetterexperte beschäftigt sich in „Recht und Gerechtigkeit“ mit seinem Prozess und der Zeit im Gefängnis.
Mannheim. Es sieht aus, als hätte der Heyne-Verlag geahnt, dass es juristischen Ärger um das Buch von Jörg Kachelmann geben würde: Vorabexemplare gab es nicht, und nach einem Verwirrspiel um das Erscheinungsdatum lag der Titel „Recht und Gerechtigkeit“ am Montag plötzlich in den Buchhandlungen.
Es dauerte gerade einmal drei Tage, bis die Richter des Landgerichts Mannheim am Donnerstag ein Verbot aussprachen: Der Verlag darf das Buch nicht weiter verbreiten, solange Kachelmanns Ex-Geliebte darin mit vollem Namen genannt wird. Das betrifft allerdings nicht die Exemplare, die derzeit schon in den Buchhandlungen liegen. Und so könnte die drohende Verknappung den Verkauf noch ein wenig anheizen.
Natürlich ist das Buch auch eine „Abrechnung“, wie das gängige Schlagwort in solchen Fällen lautet. 44 Verhandlungstage verbrachte Jörg Kachelmann im Landgericht Mannheim, ordentlich frisiert, rasiert, in Anzug und Krawatte und konfrontiert mit dem Vorwurf, er habe seine ehemalige Geliebte vergewaltigt. Kachelmann, der charmant und eloquent sein kann, musste das tun, was ihm als Angeklagten aus juristischer Sicht wohl zu raten war: schweigen. Zuhören, wie andere schlimme Dinge über einen erzählen.
Kein Wunder, dass es in Kachelmann gärte und brodelte — wie sehr, das war schon in den ersten Interviews zu ahnen, die er nach seinem Freispruch im Mai 2011 gegeben hatte. Einiges von dieser Wut ist auch in dem Buch zu spüren, das der Moderator gemeinsam mit seiner Frau Miriam geschrieben hat.
Kachelmanns Zorn richtet sich zunächst gegen die Justiz, gegen den „kollektiven Verurteilungsfuror“ von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Das liest sich im Detail amüsant, etwa, wenn der Wetterexperte einem Staatsanwalt bescheinigt, dieser habe „die nasseste Hand der nördlichen Hemisphäre“.
Doch wie der Titel des Buchs bereits andeutet: Kachelmann will mehr. Es geht auch ums Ganze. Darum, „was geändert werden müsste, damit Deutschland wieder gewissenhaft als Rechtsstaat bezeichnet werden kann“. An diesem Anspruch allerdings scheitert das Buch.
Klar, es werden steile Thesen aufgestellt: Etwa, es gebe eine „gewohnheitsmäßig männerverurteilende Justiz“. Da allerdings würde man sich doch ein paar Belege wünschen und nicht nur altklug vorgetragene Plattitüden.
Das Buch hat auch lesenswerte Momente: Immer dann, wenn es konkret wird, vor allem bei der Schilderung des Gefängnisalltags. Man kann mit einigem Recht fragen, warum der Staat es offenbar in vielen Fällen nicht schafft, Untersuchungsgefangene, für die die Unschuldsvermutung gilt, halbwegs anständig zu behandeln. Und warum sich die Gefangenen damit helfen müssen, mit einem Wasserkocher Milchreis in der Milchtüte zu kochen.