Kai Wiesinger im Interview: „Habe die Gefahr falsch eingeschätzt“
Der Schauspieler spricht über seinen Dreh in den Bergen, schmerzhafte Momente und die Beziehung zu seinen Eltern.
Berlin. Ob Held, Halunke oder Herzensbrecher — Kai Wiesinger kann so ziemlich jede Rolle glaubwürdig verkörpern. Kein Wunder, dass der wandlungsfähige Schauspieler seit vielen Jahren gut im Geschäft ist. Bei den Dreharbeiten zu seinem neuesten Film ging es für den 47-Jährigen hoch hinaus: Das zweistündige Bergdrama „Der Tote im Eis“ (Pfingstmontag, 20.15 Uhr, ZDF) wurde in den Alpen gedreht. Kai Wiesinger spielt den Sohn eines schwer kranken Patriarchen, der seine Familie um sich schart. Bei einer Bergtour kommt es zur Generalabrechnung.
Herr Wiesinger, für Ihren neuen Film durften Sie in den Kärntner Alpen kraxeln. Sie waren schon mehrfach als Actionheld an ausgefallenen Orten im Einsatz. Ist Ihr Beruf ein großer Abenteuerspielplatz?
Kai Wiesinger: Letztlich schon. Es ist ein Privileg, dass man als Schauspieler an viele Orte kommt, die man sonst so nicht sehen würde, dass man Länder und Menschen kennenlernt. Einmal bekam ich das Angebot zu einem Film, da stand auf Seite drei: Er fährt Speedboot. Da habe ich das Buch zugeklappt und gesagt: Das will ich jetzt mal machen, das finde ich klasse. Man muss seine Rollen ja nicht immer danach auswählen, wie hoch der intellektuelle Gehalt ist.
Was hat Sie an „Der Tote im Eis“ gereizt?
Wiesinger: Was mir an meinem Beruf gefällt, ist die Vielseitigkeit. Nachdem ich unter anderem im „Tatort“ den Bundeskanzler und im Märchenfilm „Der gestiefelte Kater“ den König gespielt hatte, war „Der Tote im Eis“ wieder etwas völlig anderes. Ich spiele einen Typen, der finanziell von seinem Vater abhängig ist und im Grunde nur dessen Liebe will. Die Auseinandersetzung mit der Vaterfigur fand ich sehr schmerzvoll: Wenn ich in der Rolle meinem Filmvater gegenüberstehe und ihm ins Gesicht schlage, ist das eine furchtbare Erfahrung — aber gerade dadurch auch wieder eine Bereicherung.
Haben Sie während des Drehs über das Verhältnis zum eigenen Vater nachgedacht?
Wiesinger: Eigentlich nicht, weil ich zum Glück ein ganz tolles Verhältnis zu meinen Eltern habe. Aber ich bin ja selber auch Vater und empfinde die bedingungslose Liebe zu meinen eigenen Kindern als etwas völlig Selbstverständliches. Die Vorstellung, dass sich Vater und Sohn gegenüberstehen und ihre Liebe nicht ausdrücken können, ist sehr schmerzhaft.
Gedreht wurde auf rund 3000 Metern Höhe. Sind Sie Bergsteiger?
Wiesinger: Nein, überhaupt nicht. Ich fahre liebend gerne Ski, aber ich bin kein Bergsteiger oder Kletterer. Die Gefahr, die von so einem Berg ausgeht, habe ich völlig falsch eingeschätzt.
Hat die ungewohnte Höhe sich bei den Dreharbeiten bemerkbar gemacht?
Wiesinger: Dass man sich im Kopf benebelt fühlt, fängt, glaube ich, erst in wesentlich größerer Höhe an. Nein, ich fand es faszinierend festzustellen, wie dem Körper in der dünnen Luft einfach der Sauerstoff fehlt. Man geht 200 Meter, und wenn da eine kleine Steigung ist, kommt man vollkommen außer Atem. Und das, obwohl ich wirklich sehr viel jogge und nicht schnell aus der Puste bin.
Sie arbeiten seit vielen Jahren auch als Fotograf und hatten bereits mehrere Ausstellungen. Haben Sie beim Bergdreh Bilder gemacht?
Wiesinger: Nur Handyfotos. Eine Serie mit Alpenfotos sehe ich im Moment noch nicht kommen. (lacht)