Kaisertage - Wenn Bad Ischl nach Mottenkugeln riecht

Bad Ischl (dpa) - Langsam fährt die historische Lok in den Bahnhof ein. Der schwarze Dampf legt sich wie eine Wolke über die Hunderten Schaulustigen und endlich ist er zu sehen: Kaiser Franz Joseph I. steigt gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth „Sisi“ aus.

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Die Kompanie begrüßt den Monarchen mit Salutschüsse, und die Besucher in schönster Festtracht schwenken weiße Taschentücher. Eine Parade, wie es sie zu Lebzeiten Franz Josephs (1830-1916) jeden Sommer in Bad Ischl gab. Einmal im Jahr lässt der Kurort im Salzkammergut die Monarchie wieder hochleben: Der Kaiser, der am Montag aus dem Zug gestiegen ist, ist zwar nur ein Schauspieler, trotzdem trifft Bad Ischl damit einen nostalgischen Nerv.

Tausende Gäste versetzen sich zumindest für ein paar Stunden in eine längst vergangene Welt zurück. Im 100. Todesjahr des Langzeitregenten sind die Feierlichkeiten der traditionellen, einwöchigen Kaisertage besonders groß. Im historischen Sonderzug, der schon seit Monaten ausgebucht war, sind Dutzende Hofdamen und Offiziere als Gefolge dabei gewesen - auf eigene Initiative und auf eigene Kosten.

Edi Posch ist in dritter Generation bei den Tiroler Kaiserjägern, ehemaliger Teil der k.u.k.-Armee. Er lässt sich die Festivitäten in Bad Ischl nie entgehen. „Wir müssen unsere Geschichte hochhalten“, sagte der 72-Jährige. Seine blaue Uniform mit grünem Kragen ist mit Orden und Sternen behangen, die schwarze Kappe glänzt. Der Säbel an seiner Hüfte ist aber nicht das Original seiner Ahnen, die tatsächlich im Krieg gekämpft haben. „Dieser spezielle Säbel verlässt mein Haus nicht“, so Posch, der bei der Verabschiedung salutiert.

Die Verbindung des Langzeitregenten Franz Joseph mit Bad Ischl ist eng. Jeden Sommerurlaub verbrachte er mit seinem Gefolge in der Stadt in Oberösterreich. Auch die legendäre Liebesgeschichte mit seiner „Sisi“ nahm hier ihren Lauf. 1853 lernte Franz Joseph anlässlich seines Geburtstages seine zukünftige Braut kennen. Eigentlich sollte er nach den Wünschen seiner Mutter Elisabeths ältere Schwester heiraten. Doch Franz Joseph verliebte sich den Überlieferungen nach auf den ersten Blick in die damals 15-jährige Elisabeth.

Die Stadt spielt geschickt mit dem verstaubten kaiserlichen Charme. Der Festreigen mit vielen Konzerten ist ein großer Wirtschaftsfaktor für die Region. Der Tourismusverband zählte im vergangenen Jahr rund 200 000 Besucher in dem knapp 14 000-Einwohner-Ort.

Hans Heide, der sozialdemokratische Bürgermeister, freut sich über den Trubel im Ort, sieht das nach außen vermittelte Bild von Uniformierten und Kostümierten aber auch zwiespältig: „Es ist nicht so, dass bei uns 365 Tage Kaiser-Nostalgie herrschen würde.“ Aber die Anwesenheit des Kaisers habe die Stadt natürlich geprägt und sein Schicksal übe noch immer große Faszination aus: „Einige Besucher suchen ja einen Ausgleich zum grauen Alltag.“

Während der Betrieb von Gastronomen und Hoteliers auf Hochtouren läuft, geht der Alltag der Bad Ischler nahezu in gewohnten Bahnen weiter. „Kaisertage sind, wenn die Stadt nach Mottenkugeln riecht“, schmunzelte eine Einheimische, die ihren Namen nicht nennen will. Die meist eigens angefertigten, teuren Kleider samt großem Reifrock schaffen es kaum öfter als einmal pro Jahr aus dem Kleiderkasten.

Ein Ehepaar aus der Nähe von Berlin ist extra angereist, um die vergangene Zeit nachzustellen. „Die Gäste sollen sehen, wie es vor dem Ersten Weltkrieg ausgesehen hat“, sagte die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Doch immer weniger Junge würden die gute alte Zeit hochhalten, klagte der Mann, Mitglied im Verband des preußischen Generalfeldmarschalls August von Mackensen (1849-1945).

Für eine der wenigen jungen Enthusiastinnen ist die Monarchie-Liebe Familiensache. Gemeinsam mit ihren Eltern war die 16-jährige Sabrina Brunner im Einsatz. „Mein Vater hat mich als Kaiserjäger damit angesteckt und die alten Kleider sind so viel schöner als die heutige Mode“, sagte die junge Frau, während sie in einem schwarz-goldenen Kleid samt passendem Sonnenschirm für zahlreiche Fotos posierte. Bei ihrer Mutter blitzte unter dem Kleid am Arm ein Tattoo hervor. Einen Grund zum Verstecken gibt es für Silvia Brunner nicht: „Schon Kaiserin Elisabeth hat einen Anker als Tattoo am Arm gehabt.“